06 - Der Schattenkrieg
suchen.«
»Vielen Dank, Consuela.«
Consuela, die in Wirklichkeit Maria hieß, war eine fünfundzwanzigjährige Sekretärin, die einmal mehr Geld verdienen wollte und deshalb ein halbes Dutzendmal Drogen nach Amerika geschmuggelt hatte. Nach dem sie einmal nur knapp der Verhaftung entgangen war, hatte sie sich für eine neue Karriere entschieden und erledigte in ihrem kleinen Sekretariats-Service bei Caracas gelegentlich kleine Aufträge für ihre früheren Arbeitgeber. Allein für den Telefondienst bekam sie fünftausend Dollar pro Woche. Nun wählte sie und hörte eine Reihe ungewöhnlicher Zwitschertöne; offenbar wurde das Gespräch zu einem anderen Anschluß automatisch durchgestellt. »Ja?« »Señor Diaz? Hier Consuela. Moira war gerade am Telefon und möchte zurückgerufen werden.« »Danke.« Es wurde aufgelegt.
Cortez schaute auf seine Schreibtischuhr und beschloß, Moira warten zu lassen dreiundzwanzig Minuten lang. Er befand sich in einem luxuriösen Apartmenthaus in Medellin, nur zwei Häuser von seinem Boss entfernt. Ist das der entscheidende Anruf? fragte er sich.
Zwanzig Minuten später schaute er erneut auf die Uhr und steckte sich eine Zigarette an. Er lächelte und stellte sich vor, wie sie jetzt zweitausend Meilen entfernt wartete. Was sie wohl dachte? Einige Züge später war es soweit. Er hob ab und wählte. »Moira? Hier Juan.«
»Bist du dieses Wochenende frei?« fragte sie. »Hast du wirklich Zeit?«
»Ja, von Freitag nachmittag bis Montag früh.«
»Hm… laß mich mal nachdenken…« Cortez starrte aus dem Fenster auf das Haus gegenüber. Konnte das eine Falle sein? Ach was. »Moira, ich muß hier mit jemandem reden. Kannst du am Apparat bleiben?«
»Natürlich!« Die Begeisterung in ihrer Stimme war unüberhörbar. Er schaute auf die Uhr, ließ sie zwei Minuten warten und meldete sich dann wieder. »Ich komme Freitag nachmittag nach Washington.«
»Dann kommst du genau um die Zeit äh, zur richtigen Zeit, meine ich.«
»Wo treffen wir uns? Kannst du mich am Flughafen abholen?«
»Sicher.«
»Ich weiß noch nicht, welchen Flug ich nehme. Treffen wir uns um drei am Hertz-Schalter?« »Alles klar. Ich freue mich schon.«
»Und ich auch, Moira. Bis dann.« Cortez erhob sich von seinem Schreibtisch und verließ den Raum. Der Wachposten im Gang stand auf, als er aus der Tür kam.
»Ich gehe jetzt zu el Jefe«, sagte er. Der Posten hob sein Funktelefon, um ihn anzumelden. Die technischen Probleme waren knifflig, und das grundlegendste stellte die Senderleistung dar. Die festen Stationen funkten mit fünfhundert Watt, die mobilen Sender hatten knapp sieben, und die kleinen, batteriebetriebenen Handgeräte, die jeder so gerne benutzte, schafften gerade dreihundert Milliwatt. Trotz der riesigen Parabolantenne waren die eingehenden Signale nur ein Flüstern. Der Rhyolite-J aber, das Resultat zahlloser Forschungsmilliarden, war ein hochempfindliches, komplexes Instrument. Ein Teil des Empfangsproblems wurde mit supertiefgekühlter Elektronik gelöst, und am Rest arbeiteten mehrere Computer. Eingehende Signale wurden von einem relativ simplen Computer digitalisiert und zurück auf die Erde zu Fort Huachuca gefunkt, wo ein anderer, sehr viel leistungsfähigerer Rechner die Rohdaten verarbeitete, mit Hilfe eines algorithmischen Verfahrens neunzig Prozent der atmosphärischen Störungen eliminierte und so das Signal in eine verständliche Konversation verwandelte. Doch das war erst der Anfang.
Das Kartell benutzte für die Alltagskommunikation aus Gründen der Sicherheit Funktelefone, die auf rund sechshundert Frequenzen des UHF-Bands (825-845 und 870-890 MHz) arbeiteten. Ein kleiner Computer in der Zentrale wählte aufs Geratewohl eine Frequenz für ein Gespräch und schaltete automatisch auf eine günstigere um, wenn es Empfangsschwierigkeiten gab. Außerdem konnte die entsprechende Frequenz für Gespräche in benachbarten »Zellen« (daher der Name Zellulartelefon) benutzt werden. Wegen dieser Funktionsweise gab es keine Polizei auf der Welt, die solche Funktelefone abzuhören in der Lage war. Gespräche konnten unverschlüsselt geführt werden. So glaubte man jedenfalls allgemein. Die Regierung der Vereinigten Staaten war schon seit den Tagen von Yardleys berühmter Schwarzer Kammer mit dem Abhören des ausländischen Funkverkehrs befaßt gewesen. Comint oder Sigint (Communications oder Signal Intelligence), wie es in Fachkreisen heißt, ist die beste Form der Nachrichtenbeschaffung, denn man hört
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