06 - Der Schattenkrieg
für Jack Ryan war der pastorale Akt des Schneidens therapeutisch. Es war ein drei Tage währendes Ritual, das er alle zwei Wochen vollzog im Frühjahr häufiger. Frisches Heu roch er gern, und auch der Ölgeruch des Traktors und die Vibrationen waren ihm angenehm. Ganz konnte er der Realität jedoch nicht entkommen. An seinem Gürtel hing ein tragbares Telefon, dessen elektronisches Zwitschern den Motor des Traktors übertönte. Jack stellte die Zündung ab und griff nach dem Gerät.
»Hallo, Jack, hier Rob. Sissy und ich sind auf dem Weg nach Annapolis und hätten gerne mal kurz bei euch reingeschaut. Macht dir das Umstände?«
»Aber nein! Kommt doch zum Mittagessen.«
»Geht das auch wirklich in Ordnung?« fragte Jackson. »Aber klar, Robby«, erwiderte Ryan. »Seit wann zierst du dich so?«
»Seit du ein hohes Tier bist.« Ryans Antwort stellte einen Verstoß gegen die Regeln für den drahtlosen Funkverkehr dar.
»Gut, dann kommen wir in einer Stunde vorbei.«
»Fein, bis dahin bin ich mit dem Rasen fertig.« Ryan unterbrach die Verbindung und wählte die Nummer seines Hauses. Seine Frau Cathy meldete sich. »Rob und Sissy kommen zum Mittagessen«, sagte Jack. »Werfen wir ein paar Würstchen auf den Grill?«
»Mein Haar sieht fürchterlich aus.«
»Dann wirf es dazu. Machst du schon mal Feuer? Ich bin hier in zwanzig Minuten fertig.«
Erst dreißig Minuten später stellte Jack den Traktor zu seinem Jaguar in die Garage und ging ins Haus, um sich zu waschen und umzuziehen. Gerade, als er sich rasiert hatte, kam Robby in die Einfahrt.
»Wie habt ihr das so schnell geschafft?« fragte Jack, der noch seine abgeschnittenen Jeans trug. »Ist es Ihnen lieber, wenn ich mich verspäte, Dr. Ryan?« frotzelte Robby beim Aussteigen. Cathy erschien in der Haustür, und man begrüßte sich. Die beiden Frauen gingen ins Wohnzimmer, Jack und Robby trugen die Würste auf die Terrasse, wo die Holzkohle noch nicht ganz durchgeglüht war. »Nun, wie fühlt man sich als Captain?«
»Großartig, bloß mit der Bezahlung hapert’s noch.« Die Beförderung bedeutete, daß Robby zwar die vier Streifen eines Kapitäns tragen konnte, aber noch immer wie ein Commander bezahlt wurde. »Und meine Staffel bekomme ich auch, sagte mir Admiral Painter gestern abend.« »Großartig!« Jack schlug Robby auf die Schulter. »Das wäre dann der nächste große Karrieresprung, nicht wahr?«
»Solange ich keinen Mist baue. Die Navy gibt, und die Navy nimmt.« Robby hielt inne und wurde dann ernst. »Aber deshalb bin ich nicht gekommen. Jack, was rührt ihr da unten in Kolumbien an?« »Rob, ich habe keine Ahnung.«
»Schon gut, Jack. Ich weiß Bescheid! Eure Sicherheitsvorkehrungen sind miserabel. Und mein Admiral ist stocksauer, weil ihr seine Flugzeuge benutzt, ohne ihn zu fragen.«
»Wer ist das?«
»Joshua Painter. Du bist ihm mal auf der Kennedy begegnet.«
»Wer hat dir das gesagt?«
»Eine zuverlässige Quelle. Ich habe mir die Sache seitdem durch den Kopf gehen lassen. Damals hieß es, der Iwan habe ein U-Boot verloren, und wir würden ihm bei der Suche helfen. Nun ja, und dann mußte mein Kampfbeobachter am Gehirn operiert werden, und meine Tomcat war erst nach drei Wochen wieder flugtauglich. Da muß wohl mehr dahintergesteckt haben. Es kam ja auch nie was in die Zeitung. Aber lassen wir das mal beiseite; ich will dir sagen, weshalb ich hier bin. Es geht um die Häuser der beiden Drogenbarone, die in die Luft gesprengt wurden. Die Bomben wurden von einer A6E Intruder der US-Navy abgeworfen. Ich bin nicht der einzige, der das weiß. Außerdem rennt ein Haufen von der leichten Infanterie da unten im Dschungel rum. Was sie da treiben, weiß ich nicht, aber es gibt Leute, die wissen, daß sie dort im Einsatz sind. Die Sache sickert durch, Jack, und im Pentagon wird es tierischen Stunk geben, wenn die Medien davon Wind bekommen. Und mir hat man von oben gesteckt, daß sich die Navy diesmal nicht, ich wiederhole, nicht den Schwarzen Peter zuschieben läßt.«
»Beruhige dich, Rob.« Jack machte zwei Dosen Bier auf. »Jack, wir sind und bleiben Freunde. Ich weiß, daß du niemals einen solchen Blödsinn machen würdest, aber…«
»Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich habe keine Ahnung. Letzte Woche war ich in Belgien und wurde danach gefragt; auch da konnte ich keine Auskunft geben. Freitag hat mich dieser Fowler in Chicago damit genervt. Rob, ich sage dir, was ich allen anderen gesagt habe: Ich weiß nichts.« Jackson schwieg kurz. »Weißt du,
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