06 - Der Schattenkrieg
leise. Eine simple Lüge von Richter Moore hätte er noch hingenommen. Diese Lüge aber war vorsichtig formuliert und vorausgeplant, einstudiert gewesen.
Autobomben haben wir keine gelegt. Nein, ihr habt sie von der Navy abwerfen lassen. Gut, Jack. Was machst du jetzt? Er hatte keine Ahnung, aber auch den ganzen Tag Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen.
In der Morgendämmerung des Montags wurden die letzten Zweifel zerstreut. Die Truppen in den Bergen waren nicht abgezogen, sondern hatten die Nacht in ihrem eigenen Lager einige Kilometer weiter südlich verbracht. Chavez hörte sie herumtrampeln, vernahm sogar einen Schuß. Auf ein Mitglied seines Zuges war er jedoch nicht gezielt gewesen. Entweder hatte jemand auf ein Reh geballert, oder der Schuß hatte sich aus Versehen gelöst. Wie auch immer, das Geräusch war ominös. Der Zug hatte eine enge Verteidigungsstellung eingenommen. Deckung und Tarnung waren gut, ihre Position unauffällig. Sie hatten ihre Feldflaschen unterwegs gefüllt und waren nun weit von einer Trinkwasserquelle entfernt; wer Soldaten jagte, würde sie in der Nähe einer solchen suchen. Auch auf einer Anhöhe würde man sie vermuten, aber dieser Platz hier war fast genauso günstig. Der Hang über ihnen war dicht bewaldet und daher nicht geräuschlos zu begehen. Der Gegenhang war tückisch: Andere Pfade zu ihrem Aussichtspunkt konnten sie überblicken. Ramirez hatte ein gutes Auge fürs Terrain. Im Augenblick hatten sie den Auftrag, Kontakt nach Möglichkeit zu vermeiden und nur im äußersten Notfall kurz und hart zuzuschlagen und sich dann abzusetzen. Chavez und seine Kameraden waren nun nicht mehr die einzigen Jäger in diesen Wäldern. Keiner hätte zugegeben, daß er Angst hatte, aber sie waren nun doppelt so vorsichtig.
Chavez befand sich außerhalb des Sicherheitsrings auf einem Horch- und Beobachtungsposten, von dem aus er einen guten Überblick über den wahrscheinlichen Anmarschweg des Gegners hatte. Guerra war bei ihm. Die beiden MG hatte Ramirez dicht beim Zug in Stellung gebracht. »Vielleicht verschwinden sie einfach wieder«, dachte Ding laut. Guerra schnaubte. »Nee, denen haben wir zu oft eins in die Fresse gegeben. Was wir jetzt brauchen, ist ein tiefes Loch zum Verstecken.«
»Sieht aus, als machten die Mittagspause. Wie lange wohl?«
»Es hört sich auch so an, als würden sie den Wald durchkämmen. Wenn ich recht habe, tauchen sie da drüben auf, latschen durch diesen kleinen Einschnitt und klettern direkt zu uns hoch.« »Da!« Guerra wies auf einen Waldrand. »Ich hab sie.« Chavez setzte das Fernglas an und sah zwei Männer, zu denen sich gleich darauf sechs weitere gesellten. Selbst über die Distanz war zu erkennen, daß sie außer Atem waren. Ein Mann blieb stehen und trank aus einer Flasche - und zwar ganz ungedeckt, so als wollte er unbedingt ein Ziel abgeben. Was war das für ein Gesindel? Bewaffnet war der Trupp mit AK-47.
»Sechs, hier Punkt, Over.«
»Hier sechs.«
»Acht nein, zehn Mann mit AK einen halben Kilometer im Osten und knapp unter Höhe zwei-nulleins. Im Augenblick stehen sie nur herum. Over.«
»In welche Richtung schauen sie? Over.«
»Die gammeln nur rum, Sir. Over.«
»Halten Sie mich auf dem laufenden«, befahl Captain Ramirez. »Roger. Out.« Chavez griff wieder zum Fernglas. Einer wies zur Kuppe. Drei folgten dem Befehl ohne große Begeisterung. »Die machen schlapp, Paco«, meinte Chavez. »Gut. Vielleicht hauen sie dann ab.« Der Gegner war in der Tat müde. Die drei ließen sich beim Anstieg Zeit. Als sie endlich oben angelangt waren, brüllten sie nach unten, sie hätten niemanden gesehen. Die anderen standen nur dumm auf der Lichtung herum. Als die drei Kletterer die Hälfte des Rückwegs zurückgelegt hatten, zogen Wolken vor die Sonne, und fast sofort begann es zu regnen. Westlich des Gebirges hatte sich ein starkes Tropengewitter gebildet. Kurz nach dem Regen kamen die ersten Blitze. Einer traf die Kuppe, auf der eben noch die Kletterer gestanden hatten, und hielt sich für einen überraschend langen Sekundenbruchteil, sah aus wie der Finger eines zornigen Gottes. Dann schlug es an anderen Stellen ein, und der Regen wurde stärker. Im Nu reduzierten Regenschleier die Sichtweite auf vierhundert Meter. Chavez und Guerra tauschten einen besorgten Blick. Sie hatten den Auftrag, zu lauschen und Ausschau zu halten, aber nun sahen sie kaum etwas und hörten so gut wie nichts. Schlimmer noch: Sobald sich das Gewitter verzogen hatte, würde
Weitere Kostenlose Bücher