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06 - Der Schattenkrieg

06 - Der Schattenkrieg

Titel: 06 - Der Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Ryan alle. Der Mann an der Tür schüttelte traurig den Kopf, als er nach der Klinke griff. Ryan verstand das Signal und hielt inne, um sich vor dem Eintreten zu sammeln. Greer sollte seinen Besuchern nicht am Gesicht ansehen, wie schockiert sie waren. Aber was Ryan nun empfand, war ein Schock.
Greer wog nun keine fünfzig Kilo mehr und sah aus wie eine Vogelscheuche: der Mann, der einmal ein Schiff und im Dienst seines Landes Männer geführt hatte. Mit ihm starb eine ganze Ära, und ein Verhaltenskodex dazu. Jack setzte sich ans Bett und winkte den Sicherheitsbeamten hinaus. »Tag, Chef.« Er schlug die Augen auf. Und was sage ich jetzt? fragte sich Ryan. Soll ich ihn fragen, wie es ihm geht? Sagt man so etwas zu einem Sterbenden?
»Wie war die Reise, Jack?« Die Stimme klang schwach.
»In Belgien lief alles gut. Alle lassen grüßen. Am Freitag war ich bei Fowler.«
»Was halten Sie von ihm?«
»Was die Außenpolitik angeht, hat er etwas Nachhilfe nötig.« Ein Lächeln. »Finde ich auch. Aber schöne Reden hält er.«
»Mit seiner Assistentin Elliot habe ich mich gleich überworfen. Widerliches Weib. Wenn ihr Chef gewinnt, sagt sie, fliege ich raus.« Das hätte Ryan nicht sagen sollen. Greer versuchte erfolglos, sich zu bewegen.
»Dann suchen Sie sie auf und versöhnen sich mit ihr, auch wenn Sie ihr hinten reinkriechen müssen. Wann lernen Sie irischer Klotz eigentlich einmal Flexibilität? Fragen Sie doch mal Basil, was er von den Leuten hält, für die er arbeiten muß. Sie haben dem Land zu dienen, Jack, und nicht den Leuten, die Sie zufällig mögen.« Das hatte gesessen. »Jawohl, Sir, Sie haben recht. Ich muß noch viel lernen.« »Tun Sie das rasch, Junge. Viele Lektionen kann ich nicht mehr erteilen.«
»Sagen Sie das nicht, Admiral.« Das kam heraus wie das Flehen eines Kindes.
»Meine Zeit ist gekommen, Jack. Männer, mit denen ich gedient habe, starben bei Savo oder im Golf von Leyte oder sonstwo auf See. Ich hatte zwar mehr Glück als sie, aber jetzt bin auch ich dran. Und nun möchte ich, daß Sie meinen Posten übernehmen.«
»Ich brauche Ihren Rat, Admiral.«
»Geht es um Kolumbien?«
»Ich verzichte darauf, Sie zu fragen, woher Sie das wissen.«
»Wenn ein Mann wie Moore einem nicht in die Augen schaut, weiß man, daß etwas nicht stimmt. Er war Samstag hier und wollte mich nicht direkt ansehen.«
»Und mich hat er heute angelogen.« Ryan gab wieder, was er wußte, vermutete und fürchtete. »Und jetzt soll ich Ihnen sagen, was Sie zu tun haben?« fragte Greer. »Einen Rat könnte ich schon gebrauchen, Admiral.«
»Unsinn, Jack. Sie sind clever genug und haben alle Kontakte, die Sie brauchen. Und Sie wissen, was Recht ist.«
»Aber die…«
»Die Politik? Diese Scheiße!« Fast hatte Greer gelacht. »Jack, wenn man so daliegt wie ich, dann denkt man an die Dinge, die man hätte besser machen, an die Leute, die man hätte besser behandeln können, und dankt dem Schöpfer, daß man nicht noch mehr Fehler gemacht hat. Aber Ehrlichkeit bereut man nie, Jack, auch wenn dabei Menschen vor den Kopf gestoßen wurden. Als Sie bei den Marines Lieutenant wurden, mußten Sie einen Eid ablegen. Ich verstehe nun den Sinn dieser Formel. Sie ist keine Bedrohung, sondern eine Hilfe. Sie zeigt uns, wie wichtig unser Ehrenwort ist. Ideen sind wichtig, Prinzipien sind wichtig, aber am wichtigsten ist unser Wort. Und das ist meine letzte Lektion, Jack. Von nun an sind Sie auf sich selbst gestellt.«
Er machte eine Pause. Jack sah, daß der Schmerz den Nebel der Medikamente zu durchdringen begann. »Sie haben Familie, Jack. Gehen Sie heim und sagen Sie ihr einen schönen Gruß von mir. Richten Sie ihr aus, sie könnte auf ihren Vater stolz sein. Gute Nacht, Jack.« Greer schlief ein. Jack blieb mehrere Minuten lang sitzen. Es dauerte lange, bis er sich wieder im Griff hatte. Er wischte sich die Tränen ab und verließ das Zimmer. Draußen begegnete er dem Arzt und stellte sich vor.
»Lange hat er nicht mehr zu leben. Ein knappe Woche vielleicht. Bedaure, aber es bestand von Anfang an nicht viel Hoffnung.«
»Sorgen Sie dafür, daß er keine Schmerzen hat«, sagte Ryan leise. »Das tun wir«, erwiderte der Onkologe. »Aus diesem Grund schläft er auch meistens. Wenn er wach ist, kann man sich gut mit ihm unterhalten. Ich mag den alten Herrn.« Der Arzt war es zwar gewohnt, Patienten zu verlieren, aber es traf ihn immer noch. »In ein paar Jahren hätten wir ihn vielleicht retten können, aber der Fortschritt geht nicht

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