06 - Der Schattenkrieg
Bislang hatte er bei kurzen, heftigen und meist lautlosen Gefechten elf Mann verloren - und dabei nichts gewonnen. Seine »Soldaten« im Feld hatten noch zu viel Wut im Bauch, um Angst empfinden zu können, aber das war ihm im großen und ganzen recht. Sein Meßtischblatt steckte in einer Klarsichthülle, auf der er mit einem roten Fettstift Gebiete markierte, in denen Aktivität herrschte. Kontakt hatte es mit zwei, vielleicht auch drei amerikanischen Teams gegeben; das schloß er aus dem Verlust der elf Mann. Und er hoffte, daß er elf Tölpel verloren hatte. Das war natürlich eine relative Einschätzung, denn auf dem Schlachtfeld spielt das Glück immer eine Rolle, aber im allgemeinen lehrt doch die Geschichte, daß die Dummen als erste fallen und daß im Feld eine Art Auslese ä la Darwin stattfindet. Er hatte vor abzuwarten, bis rund fünfzig gefallen waren; dann wollte er Verstärkung anfordern und somit das Gefolge der Drogenbarone weiter dezimieren. Dann ein Anruf bei seinem Chef, um zu sagen, er habe zwei oder drei Mitbarone identifiziert, die im Feld ein seltsames Verhalten an den Tag legten; selbstverständlich wußte er schon, wen er zu bezichtigen beabsichtigte. Am Tag darauf würde er dann einen von diesen auch er stand schon fest vorwarnen und ihm sagen, sein Chef verhielte sich eigenartig, und er, Cortez, sei schließlich der gesamten Organisation verantwortlich und nicht nur einer Person. Sein Plan sah die Ermordung Escobedos vor. Das war notwendig und nicht unbedingt bedauerlich. Zwei kluge Köpfe des Kartells waren bereits von den Amerikanern getötet worden, und er hatte vor, an der Ausschaltung der beiden verbliebenen Köpfe mitzuwirken. Die überlebenden Drogenbosse würden Cortez brauchen, und er würde als Chef für Sicherheit und Aufklärung einen Sitz am Tisch erhalten; der Rest des Kartells wurde dann nach seinen Vorstellungen umstrukturiert und sicherer gemacht. Binnen eines Jahres würde Cortez Erster unter Gleichen sein; noch ein Jahr, dann stand er an der Spitze. Dazu brauchte er die anderen noch nicht einmal aus dem Weg zu räumen. Escobedo, der zu den Intelligentesten gehörte, war so leicht zu manipulieren gewesen. Die anderen waren wie Kinder und interessierten sich mehr für ihr Geld und ihre teuren Spielzeuge als für das Potential der Organisation. Seine Ideen für die fernere Zukunft waren noch vage. Es war nicht Cortez’ Gewohnheit, zehn Schritte vorauszudenken. Vier oder fünf genügten.
Er sah sich die Karten noch einmal an. Bald mußten die Amerikaner die Gefahr erkennen, die von seiner Operation ausging, und reagieren. Er öffnete seinen Aktenkoffer und verglich die Luftaufnahmen mit den Karten. Er wußte nun, daß die Amerikaner vermutlich von nur einem Hubschrauber eingeflogen worden waren und versorgt wurden. Ein tollkühner Zug, der schon an Dummheit grenzte. Hatten die Amerikaner denn nicht in den Wüsten des Iran gelernt, wie unzuverlässig Hubschrauber sind? Er mußte ihre Landezonen identifizieren… oder? Cortez schloß die Augen und zwang sich, zu den Grundprinzipien zurückzukehren. Eine echte Gefahr bei solchen Operationen war, daß man sich in Details verstrickte und den Überblick über die Gesamtlage verlor. Vielleicht gab es noch einen anderen Weg. Einmal hatten die Amerikaner ihm schon geholfen. Würden sie das noch einmal tun? Wie war das zu bewerkstelligen? Wie konnte er ihnen helfen, wie schaden? Was konnten sie für ihn tun? Genug Stoff zum Nachdenken in einer schlaflosen Nacht.
Schlechte Witterung hatte sie in der vergangenen Nacht gezwungen, den Probelauf des neuen Triebwerks zu verschieben, und aus dem gleichen Grund mußten sie auch in dieser Nacht bis drei Uhr früh warten. Ohne direkten Befehl von ganz oben durfte sich der Pave Low unter keinen Umständen bei Tageslicht sehen lassen.
Nachdem ein Schlepper den Hubschrauber aus dem Hangar gezogen hatte, wurden die Rotorflügel aufgeklappt und arretiert; dann startete man die Triebwerke. PJ und Captain Willis gaben mehr Leistung, Sergeant Zimmer saß an der Konsole des Bordingenieurs. Sie rollten ohne Zwischenfälle zur Startbahn und hoben schwankend senkrecht ab.
Es war schwer zu sagen, was zuerst passierte. Ein scheußliches Kreischen drang durch die Schaumisolierung des Helms in die Ohren des Piloten. Eine Millisekunde später rief Zimmer viel zu laut eine Warnung über die Bordsprechanlage. Colonel Johns schaute sofort aufs Armaturenbrett und stellte fest, daß alle Instrumente für Triebwerk
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