06 - Der Schattenkrieg
Rest des Büropersonals nach Hause gegangen waren.
Cortez war ein sehr scharfsinniger politischer Beobachter einer der Gründe, aus denen er es in einer so bürokratischen Organisation wie dem DGI schon so früh zum Oberst gebracht hatte. Der kubanische Geheim dienst, aufgebaut nach dem Vorbild des KGB, hatte schon mehr Verwaltungsbeamte und Inspektoren und Sicherheitsoffiziere als die CIA. Trotz aller Vorteile mangelte es den Amerikanern an politischem Willen, denn sie stritten sich unentwegt über Fragen, die eigentlich ganz einfach zu lösen waren. Ein Ausbilder an der Akademie des KGB hatte sie mit dem alten polnischen Parlament verglichen, einer Versammlung von über fünfhundert Baronen, die alle einer Meinung sein mußten, ehe etwas geschehen konnte. Auf diese Weise geschah nie etwas, und Polen wurde jedem, der in der Lage war, eine simple Entscheidung zu treffen, ein hilfloses Opfer. In diesem Fall aber hatten die Amerikaner gehandelt, entschieden und wirkungsvoll. Was hatte sich geändert?
Die Amerikaner hatten ohne Zweifel ihre eigenen Gesetze gebrochen. Sie hatten emotional reagiert nein, das war unfair, korrigierte sich Felix. Sie hatten energisch auf eine arrogante und direkte Herausforderung reagiert, so wie es die Sowjets auch getan haben würden, wenngleich mit etwas anderen Taktiken. Der einzige emotionale Aspekt war, daß sie die unmögliche Kontrolle, die der Kongreß über die Geheimdienste ausübte, unterlaufen hatten, und das ausgerechnet in einem Wahljahr.
»Aha«, sagte Cortez laut. So einfach war das also. Die Amerikaner hatten ihm schon einmal geholfen und würden das auch wieder tun. Er mußte nur das richtige Ziel auswählen. Nach nur zehn Minuten hatte er es gefunden. Ist doch typisch, dachte er, daß ich Oberst bin. In Lateinamerika waren es schon seit Jahrhunderten die Obristen, die solche Aktionen starteten.
Was würde Fidel sagen? Bei diesem Gedanken lachte Cortez laut auf. Sein Leben lang hatte dieser bärtige Ideologe die norteamericanos gehaßt wie ein Evangelist die Sünde, sich an jedem kleinen Stich ergötzt, den er ihnen zufügen konnte, dem ahnungslosen Jimmy Carter seine Kriminellen und Geistesgestörten aufgebürdet und jeden denkbaren Trick der Guerilla-Diplomatie gegen sie eingesetzt. An diesem Plan würde er seine Freude haben. Nun mußte er sich nur noch einfallen lassen, wie die Botschaft weiterzugeben war. Das war ein riskantes Spiel, aber bisher hatte er jeden Wurf gewonnen, und die Würfel brannten ihm in der Hand.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, dem Mann seinen Kopf auf die Brust zu legen, vielleicht hatte sie das nur noch mehr in Rage versetzt, dachte Chavez. Auf jeden Fall durchsuchten die Kolumbianer nun mit Begeisterung die Wälder. Noch waren sie Team MESSER nicht auf die Spur gekommen, doch daß es bald zu einem langen, heftigen und entscheidenden Feuergefecht kommen würde, stand für ihn fest.
Nicht aber für Captain Ramirez, der sich nach wie vor an den Befehl hielt, Kontakte zu vermeiden. Die meisten Männer übten daran keine Kritik, wohl aber Chavez - oder, genauer gesagt, er hätte gern Einwand erhoben. Doch Sergeants stellen die Entscheidungen eines Captains normalerweise nicht in Frage. Wenn es also zum Kampf kommt, und so sieht es aus, dachte Chavez, warum brechen wir ihn dann nicht vom Zaun zu Bedingungen, die für uns günstig sind? Zehn gute Männer mit automatischen Waffen, Granaten und zwei MG waren in der Lage, einen formidablen Hinterhalt zu legen. Lenke den Gegner auf unsere Spur, sagte sich Chavez, locke ihn direkt in die Todeszone. Wir haben ja noch zwei Minen. Mit einem bißchen Glück konnten sie in den ersten drei Sekunden zehn bis fünfzehn Mann töten. Der Rest würde die Flucht ergreifen und an eine Verfolgung überhaupt nicht denken. Warum erkannte Ramirez das nicht? Nein, er ließ seine Männer bis zur Erschöpfung marschieren, anstatt sich nach einem guten Platz zum Ausruhen umzusehen, dann einen guten Hinterhalt zu legen, die Sache mit dem Gegner auszumachen, und erst dann weiterzuziehen. Manchmal mußte man Vorsicht walten lassen. Aber manchmal mußte man auch kämpfen. »Initiative«, das beliebteste Wort in jedem militärischen Handbuch, war das, was derjenige ergriff, der entschieden hatte, welche Maßnahme zu ergreifen war. Chavez wußte das instinktiv. Er hatte den Verdacht, daß Ramirez zu viel nachdachte. Worüber, wußte Chavez nicht, aber die Grübelei seines Captains begann dem Sergeant Sorgen zu machen.
Larson
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