06 - Der Schattenkrieg
in seiner Schuld«, meinte Oreza. »Da haben Sie wohl recht.« Die beiden Männer blieben auf der Nock, um den Sonnenuntergang auf See zu genießen, und die Panache hielt auf Kurs eins-acht-eins auf ihr Patrouillengebiet in der Straße von Yucatán zu.
Chavez war bei seinem letzten Satz Batterien angelangt, und die Lage hatte sich weiter verschlimmert. Irgendwo hinter ihnen befand sich eine weitere feindliche Gruppe, die eine Nachhut notwendig machte. Das berührte ihn als Vorhut zwar nicht, bereitete ihm aber Sorgen, die so real waren wie der Muskelkater, den er alle paar Stunden mit Tylenol bekämpfte. Vielleicht wurden sie verfolgt. Vielleicht war die Anwesenheit des feindlichen Verbandes auch nur ein Zufall, oder Ramirez’ Ausweichmanöver waren zu berechenbar geworden. Dieser Ansicht war Chavez zwar nicht, wußte aber, daß er vor Erschöpfung nicht mehr zusammenhängend denken konnte. Vielleicht geht es dem Captain ähnlich, dachte er. Eine sehr bedenkliche Möglichkeit. Sergeants wurden fürs Kämpfen bezahlt, Captains fürs Denken. Wenn Ramirez also zu müde zum Denken war, kamen sie auch gut ohne ihn aus.
Ein Geräusch, ein Zweig, der durch die Luft schnellte. Doch es ging kein Wind. War das ein Tier gewesen? Vielleicht nicht.
Chavez blieb stehen und hob die Hand. Vega, der fünfzig Meter hinter ihm war, gab das Signal weiter. Ding stellte sich neben einen Baum und hielt Ausschau. Als er sich gegen den Stamm lehnen wollte, wäre er beinahe umgefallen. Der Sergeant schüttelte sich den Kopf klar. Es wurde immer schwerer, gegen die Erschöpfung anzukämpfen.
Da! Eine Bewegung. Ein Mann. Nur ein grüner Umriß im Sichtgerät, kaum mehr als ein Streichholzmännchen knapp zweihundert Meter rechts vor Ding. Der Mann lief bergauf, gefolgt von einem zweiten. Sie bewegten sich wie Soldaten, mit jenen behutsamen Schritten, die auf Nichtmilitärs so lächerlich wirkten.
Es gab nur eine Methode, die Fremden zu identifizieren. Unten an dem PVS-7 war eine kleine Infrarotleuchte zum Lesen von Karten angebracht. Für das menschliche Auge unsichtbar, wirkte sie auf den Träger eines anderen PVS-7 wie ein Leuchtfeuer.
Doch war mit der Sache ein Risiko verbunden. Chavez löste sich von dem Baumstamm. Über die Entfernung konnte er nicht feststellen, ob die Männer Sichtgeräte trugen.
Ja! Der erste Mann drehte den Kopf nach links und rechts und starrte dann auf Chavez. Ding schwenkte sein Sichtgerät hoch, legte das IR-Licht frei und blinkte dreimal. Dann klappte er das Gerät gerade rechtzeitig wieder herunter, um zu sehen, wie der andere seinem Beispiel folgte. »Ich glaube, die gehören zu uns«, flüsterte Chavez ins Mikrophon. »Dann haben sie sich aber bös verlaufen«, entgegnete Ramirez. »Seien Sie vorsichtig, Sergeant.«
Klick-Klick. Gemacht. Chavez wartete ab, bis Oso sein MG an einem günstigen Platz aufgestellt hatte, und ging dann auf den anderen Mann zu. Der Weg kam ihm sehr lang vor, insbesondere, da er seine Waffe nicht anlegen konnte. Er machte einen weiteren Mann aus und war sicher, daß in diesem Wald noch weitere verborgen lagen und ihn im Visier hatten. Wenn die nicht von uns sind, sagte er sich, sind deine Chancen, den Morgen zu erleben, gleich Null.
»Ding, bist du das?« wisperte jemand. »Ich bin’s, León.« Chavez nickte. Beide Männer holten tief Luft, gingen aufeinander zu und umarmten sich. Ein Händedruck hätte unter diesen Bedingungen irgendwie nicht ausgereicht.
»Ihr habt euch verlaufen.«
»Wo wir sind, wissen wir. Mann, aber ansonsten sind wir total am Arsch.«
»Wo ist Captain Rojas?«
»Tot. So wie Esteves, Delgado, das halbe Team.«
»Okay. Moment mal.« Ding drückte auf den Sprechknopf. »Sechs, hier Punkt. Wir haben gerade Kontakt mit BANNER aufgenommen. Der Zug hatte Probleme, Sir. Sie kommen am besten mal vor.« Klick-Klick. León winkte seine Männer herbei. Chavez dachte erst gar nicht daran, sie zu zählen. Es reichte schon, daß die Hälfte fehlte. Die beiden setzten sich auf einen liegenden Stamm. »Was ist passiert?«
»Wir sind voll in die Scheiße marschiert, Mann. Dachten, es sei ein Verarbeitungsplatz, aber das war Fehlanzeige. Mußte ein Lager für dreißig, vierzig Mann gewesen sein. Esteves hat wohl Mist gebaut, und dann ging der Zirkus los. Captain Rojas fiel, und… es war ziemlich hart, ’mano. Und seitdem sind wir auf der Flucht.«
»Hinter uns sind auch welche her.«
»Und was sind die guten Nachrichten?« fragte León. »Ist schon eine Weile her, daß ich
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