06 - Der Schattenkrieg
sonderlich voneinander«, erklärte Timmy. »Du versuchst, an den Gegner ranzukommen und ihn mit einer Rakete auszuräuchern, ehe er überhaupt merkt, daß du da bist. Wir versuchen, ihm auf den Pelz zu rücken und ihn abzuknallen, ohne daß er weiß, wo wir sind. Na, da kennst du dich ja aus, oder?« meinte Timmy mit einem etwas neidischen Lächeln. Robby war einmal im Gefecht gewesen.
»Einmal langt auch«, erwiderte Robby nüchtern. »Den Nahkampf überlasse ich Idioten wie euch.« »Wie auch immer, letzte Nacht waren wir die Spitzenformation des Bataillons. Mein Zug hielt sich großartig. Der Gegner beim Manöver, ein Verein von der kalifornischen Nationalgarde mit Panzern, paßte nicht auf, und ehe sie sich versahen, war Sergeant Chavez mitten unter ihnen. Diesen Kerl solltest du mal in Aktion erleben. Ich schwöre, Rob, der ist praktisch unsichtbar, wenn er will. Wird mir schwerfallen, Ersatz für ihn zu finden.«
»Wieso?«
»Heute nachmittag wurde er ganz plötzlich nach Fort Benning versetzt zusammen mit einem Haufen anderer Sergeants.«
Timmy machte eine kurze Pause. »Übrigens alle spanischer Abstammung. Seltsamer Zufall.« Wieder eine Pause. »Merkwürdig, sollte nicht auch León nach Fort Benning?«
»Wer ist León?«
»Ein Sergeant E-6 aus Ben Tuckers Verein. Eigentlich sollte der in zwei Wochen zur RangerAusbildung. Ich frage mich, warum er zusammen mit Chavez ging. Na ja, typisch Army. So, und wie gefällt’s dir im Pentagon?«
»Könnte schlimmer sein«, gestand Robby zu. »Noch fünfundzwanzig Monate, dann bin ich wieder ein freier Mann. Ich habe nämlich Aussichten auf einen Kommandoposten bei den trägergestützten Fliegern«, erklärte der ältere Bruder.
Der Jet landete nach knapp dreistündigem Flug und rollte an den Frachtterminal des kleinen Flughafens. Wie er hieß, wußte Chavez nicht. Er erwachte und war immer noch erschöpft, als die Tür der Maschine aufgerissen wurde. Sein erster Eindruck war, daß es hier nicht viel Luft zu geben schien. Eine sonderbare Wahrnehmung, die er seiner Schlaftrunkenheit zuschrieb.
»Sagt mal, wo sind wir eigentlich?« fragte ein anderer Sergeant. »Das erfahrt ihr draußen«, erwiderte der Flugbegleiter. »Es wird euch hier gut gefallen.« Das die Antwort begleitende Lächeln war so charmant, daß sich weitere Fragen erübrigten.
Die Sergeants nahmen ihr Gepäck und schlurften aus dem Flugzeug, sie fanden einen wartenden Kleinbus vor. Das Problem mit der Luft klärte Chavez noch vorm Einsteigen: Sie war hier sehr dünn, und den Grund sah er im Westen, wo der letzte Schein der untergehenden Sonne schroffe Berge illuminierte. Ostkurs, drei Stunden Flugzeug und Hochgebirge: Er wußte sofort, daß sie sich irgendwo in den Rocky Mountains befanden. Er drehte sich noch einmal nach dem Flugzeug um und sah einen Tanklaster darauf zurollen. Ganz erkannte Chavez den Zusammenhang nicht. Die Maschine sollte in weniger als dreißig Minuten wieder starten. Nur wenigen Leuten würde ihre Anwesenheit aufgefallen sein, kaum jemand würde nach dem Grund für den kurzen Stopp fragen.
Wie es seiner Legende angemessen war, hatte Clark ein komfortables Hotelzimmer. Ein dumpfer Schmerz im Hinterkopf erinnerte daran, daß er sich noch nicht ganz an die Höhe gewöhnt hatte, aber die zwei Paracetamol-Tabletten wirkten bald, und er wußte auch, daß dieser Auftrag keine schweren körperlichen Anstrengungen mit sich brachte. Er ließ sich das Frühstück aufs Zimmer bringen und machte ein paar Lockerungsübungen. Der Frühlauf mußte allerdings ausfallen. Als er fertig war, duschte und rasierte er sich. Der Service war gut; gerade, als er sich angezogen hatte, traf das Frühstück ein, und um neun Uhr war er bereit für die Arbeit. Clark fuhr mit dem Aufzug hinunter ins Foyer und ging hinaus. Der Wagen stand bereit. Er stieg vorne ein.
»Buenos dias«, sagte der Fahrer. »Vielleicht gibt es heute nachmittag Regen.«
»Für diesen Fall habe ich meinen Mantel dabei.«
»Vielleicht wird es naßkalt.«
»Der Mantel ist gefüttert«, schloß Clark das Erkennungsritual ab. »Wer sich das ausgedacht hat, war gut drauf«, meinte der Mann. »Es soll wirklich Regen geben. Ich bin Larson.«
»Clark.« Sie gaben sich nicht die Hände; das tat man nicht. Larson, der vermutlich auch nicht so hieß, wie Clark vermutete, war um die dreißig und hatte schwarzes Haar, das nicht so recht zu seinem skandinavischen Namen passen wollte. Man sagte, der Fluglehrer Carlos Larson habe einen dänischen Vater
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