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06 - Der Schattenkrieg

06 - Der Schattenkrieg

Titel: 06 - Der Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Der Vertreter der Verteidigung plädierte fünfzehn Minuten lang und unternahm den tapferen, aber fruchtlosen Versuch, ein Gegengewicht zu den bereits vorgelegten Indizien zu schaffen. Nachdem der Vertreter der Anklage gesprochen hatte, ergriff Captain Wegener wieder das Wort. »Nach dem Abschluß der Beweisaufnahme schreitet das Gericht nun zur Abstimmung, die schriftlich und geheim erfolgt. Der Vertreter der Anklage wird die Zettel austeilen und wieder einsammeln.« Das nahm weniger als eine Minute in Anspruch. Der Anklagevertreter reichte jedem der fünf Schöffen ein Stück Notizpapier. Alle schauten die Angeklagten an, ehe sie ihr Verdikt aufschrieben. Dann sammelte der Ankläger die Zettel wieder ein, mischte sie und überreichte sie dann dem Captain. Wegener entfaltete sie und legte sie vor sich hin. Ehe er sprach, machte er sich eine Notiz. »Die Angeklagten werden gebeten, sich zu erheben. Mr. Doe, haben Sie vor der Urteilsverkündung noch etwas zu sagen?«
»Doe« schwieg und grinste nur ungläubig. »Nun denn. Das Gericht hat den Angeklagten mit Zweidrittelmehrheit für schuldig befunden und verurteilt ihn zum Tod durch den Strang. Das Urteil wird im Lauf der nächsten Stunde vollstreckt. Gott sei Ihrer Seele gnädig. Die Verhandlung ist geschlossen.«
»Bedaure, Sir«, sagte der Verteidiger zu seinem Mandanten, »aber Sie haben mich eben nicht unterstützt.«
»Schaffen Sie mir jetzt endlich einen Anwalt herbei!« fauchte Mr. »Doe«.
»Sir, Sie brauchen jetzt keinen Anwalt mehr, sondern einen Priester.« Und um dem Nachdruck zu verleihen, packte Chief Riley ihn am Arm.
»Los, Freundchen. Du hast ein Rendezvous mit Seilers Tochter.« Damit führte er ihn ab. Der als »James Doe« benannte zweite Gefangene hatte die Prozedur mit ungläubiger Faszination verfolgt.
»Ist wenigstens Ihnen klar, was hier vorgeht?« fragte der Lieutenant. »Das kann doch nicht wahr sein«, sagte der Gefangene unsicher. »He, hören Sie mir überhaupt zu? Haben Sie denn noch nicht gehört, daß Kerle Ihrer Sorte hier draußen so einfach verschwinden? Das machen wir schon seit sechs Monaten so. Die Gefängnisse sind zum Platzen voll, und die Richter wollen sich mit Gesindel wie euch nicht mehr abgeben. Wenn wir jemanden erwischen und genügend Beweise haben, läßt man uns die Angelegenheit gleich auf See regeln. Hat euch das noch keiner gesagt?«
»Das geht doch nicht!« schrie Doe fast. »Wirklich nicht? Aufgepaßt, in zehn Minuten nehme ich Sie mit an Deck, da können Sie sich selbst davon überzeugen. Wenn Sie uns nicht unterstützen, Freundchen, wird auch mit Ihnen kurzer Prozeß gemacht. Wir haben nämlich die Nase voll. Denken Sie in Ruhe darüber nach, und wenn es soweit ist, können Sie selbst mit ansehen, wie ernst wir es meinen.« Der Lieutenant holte sich eine Tasse Kaffee und wechselte kein Wort mehr mit seinem Mandanten. Als er sie ausgetrunken hatte, ging die Tür wieder auf.
»Alle Mann an Deck zur Hinrichtung«, verkündete Chief Oreza. »Kommen Sie mit, Mr. Doe. Sehen Sie sich das ruhig an.« Der Lieutenant nahm ihn beim Arm und führte ihn hinaus zu einer Treppe an Deck. Oben ging es durch einen schmalen Durchgang zum leeren Hubschrauberdeck des Schiffes. Der Lieutenant hieß Rick Alison, war ein junger Schwarzer aus Albany, New York, und der Navigator. Er war dankbar, unter Red Wegener dienen zu dürfen, den er für den besten Kommandanten hielt, der ihm je begegnet war. Mehr als einmal hatte er erwogen, die Küstenwache zu verlassen, war aber nun entschlossen, so lange wie möglich dabeizubleiben. Er führte Mr. Doe nach achtern, von den Festivitäten weg.
Inzwischen ging die See sehr hoch, wie Alison feststellte. Er schätzte die Windgeschwindigkeit auf über dreizehn Knoten, die Wellenhöhe auf drei bis dreieinhalb Meter. Die Panache krängte um fünfzehn Grad. An Steuerbord flammten hin und wieder Blitze auf und erhellten die See. Schräge Regenschleier peitschten übers Deck und brannten auf den Wangen; alles in allem eine Nacht, die Edgar Allan Poe inspiriert hätte.
Da baumelte das Seil vom Antennenmast. Mußte von Chief Riley aufgehängt worden sein, dachte Alison; dem macht so was Verrücktes Spaß.
Dann wurde der Verurteilte an Deck geführt. Seine Hände waren noch gefesselt. Auch der Captain und der IA waren zur Stelle. Wegener sagte etwas Offizielles, das Alison nicht verstand. Der Wind pfiff in der Takelage.
Dann wurden die Flutlichter für den Hubschrauberlandeplatz eingeschaltet; sie

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