06 - Der Schattenkrieg
heute nacht Deckung geben sollte, war noch offen. Zu seinem eigenen Schutz hatte der Hubschrauber außer den Kanonen noch Magnesiumbomben und Düppel, Infrarot-Störgeräte und seine verrückte Crew.
Johns lächelte unter seinem Helm. Das nannte er richtiges Fliegen, und so etwas gab es kaum noch. Sie hatten die Option, sich eines computergesteuerten Radar-Autopiloten zu bedienen, der das Heckenspringen automatisch besorgte, simulierten heute jedoch einen Ausfall dieses Systems. Autopilot hin und her, der Pilot war für die Maschine verantwortlich, und Captain Willis tat sein Bestes, ganz knapp über den Wipfeln zu fliegen. Hin und wieder mußte sich Johns beherrschen, um nicht zusammenzuzucken, wenn ein vorwitziger Ast gegen den Bauch des Hubschraubers zu klatschen drohte, doch Captain Willis, ein kompetenter junger Mann, flog tief, aber nicht zu tief. Außerdem waren die obersten Zweige eines Baumes dünn und elastisch und zerkratzten höchstens den Lack. Mehr als einmal hatte er einen Hubschrauber heimgebracht, dessen Unterseite grüne Flecken trug wie die Hosen eines Kindes.
»Distanz?« fragte Willis. Colonel Johns schaute auf das Navigations-Display. »Zwei Meilen null-vieracht.«
»Roger.« Willis nahm langsam die Leistung zurück. Für diese Übung hatte sich ein echter Kampfpilot »freiwillig« bereiterklärt, sich hinaus in die Pampa karren zu lassen, wo ein anderen Hubschrauber einen Fallschirm über einen Baum geworfen hatte, um einen Absturz vorzutäuschen. An Ort und Stelle aktivierte der »abgeschossene« Kampfpilot einen Notsender. Neu war, daß der Fallschirm eine Beschichtung trug, die in UV-Licht aufleuchtete. Johns, der Kopilot, aktivierte einen schwachen UV-Laser, dessen Strahl das Gelände vor ihnen abtastete und nach dem Rücksignal suchte. Der Erfinder hat einen Orden verdient, dachte PJ. Der schlimmste Teil einer Rettungsmission war immer das Ausmachen des Opfers. Wenn der Vietcong an» Boden das Rotorgeräusch hörte, hatte er immer Lust bekommen, gleich noch eine Maschine abzuschießen… Seine Ehrenmedaille hatte er sich bei einem derartigen Einsatz üben Ostlaos verdient. Damals hatte die Crew einer F-105 Wild Weasel die Aufmerksamkeit einer Einheit der NVA erregt. Trotz aggressiver Unterstützung durch Bordwaffen hatten es die abgeschossenen Flieger nicht gewagt, ihre Position zu markieren. Johns aber beschloß, nicht leer heim zu fliegen, und sein Hubschrauber war bei der Bergung der beiden Männer von zweihundert Geschossen getroffen worden. Johns fragte sich oft, ob er den Mut - oder den Wahnsinn aufbringen würde, das noch einmal zu versuchen. »Fallschirm in zwei Uhr.« »X-Ray 2-6, hier Papa Lima: Fallschirm gesichtet. Können Sie Ihre Position markieren?« »Affirmativ. Werfe grüne Rauchbombe.« Das »Opfer« meldete vorschriftsmäßig die Farbe des Rauchs, die man in der Finsternis natürlich nicht erkennen konnte, aber auf dem Infrarot schirm funkelte die Hitze der Bombe wie ein Leuchtfeuer. Sie sahen also ihren Mann.
»Haben Sie ihn?«
»Ja«, erwiderte Willis und wandte sich an den Chief der Crew. »Fertig machen, wir haben unser Opfer.«
»Alles klar, Sir.« Hinten schaltete der Bordingenieur, Senior Master Sergeant Buck Zimmer, die Winde ein. Am Ende des Stahlseils war der sogenannte Penetrator befestigt, eine schwere Vorrichtung aus Stahl, die das Blätterdach jedes Waldes durchschlagen konnte und sich unten entfaltete wie eine Blüte das Opfer setzte sich dann auf die metallenen »Blütenblätter« und wurde durchs Geäst hoch gezogen. Wenn das Opfer verletzt war, hatten Sergeant Zimmer oder ein Sanitäter die Aufgabe, sich abzuseilen, das Opfer am Penetrator zu befestigen und sich dann mit ihm zusammen hochziehen zu lassen. Es kam manchmal vor, daß erst nach dem Opfer gesucht w erden mußte, oft sogar unter Feuer. Aus diesem Grund brachten die Piloten ihrer Crew beträchtlichen Respekt entgegen, denn nichts entsetzt Flieger mehr als die Vorstellung, am Boden fest zu sitzen und beschossen zu werden.
Diesmal verlief die Aktion aber weniger dramatisch. Das Opfer wurde nicht aus dem dichten Wald, sondern von einer kleinen Lichtung geholt. Zimmer bediente die Winde, das Opfer klappte den Sitz des Penetrators auf und hakte sich fest. Der Bordingenieur ließ die Winde anlaufen, überzeugte sich davon, daß der Mann gut befestigt war, und meldete das dem Piloten.
Vorne im Cockpit ging Captain Willis sofort auf Volleistung und zog den Hubschrauber hoch. Binnen fünfzehn Sekunden
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