06 - Der Schattenkrieg
hing der »gerettete« Flieger an einem Viertelzoll-Stahlseil hundert Meter überm Boden und fragte sich, welcher Anfall von Wahnsinn ihn bewegen hatte, sich freiwillig zu melden. Fünf Sekunden später zerrte Sergeant Zimmers massiger Arm ihn in den Hubschrauber. »Bergung abgeschlossen«, meldete Zimmer.
Captain Willis tauchte sofort wieder auf die Baumwipfel zu. Er wußte, daß er bei der Aufnahme zu hoch aufgestiegen war, und versuchte seinen Fehler zu kompensieren, indem er Colonel Johns demonstrierte, wie rasch er es zurück auf eine sichere Höhe schaffte. Dennoch spürte er Johns’ Blicke. Johns tolerierte keine Fehler. Fehler kosten Menschenleben, sagte der Oberst jeden geschlagenen Tag.
»Könnten Sie mal kurz übernehmen?« fragte Willis. »Kopilot übernimmt«, bestätigte Johns, nahm den Knüppel und steuerte den Hubschrauber behutsam dreißig Zentimeter tiefer. »Beim Einholen des Mannes dürfen Sie nicht so hoch aufsteigen. Es könnten SAM in der Gegend sein.« »Nachts rechnet man eher mit Geschossen als mit Raketen.«
»Gegen kleinere Kaliber sind wir geschützt. Die großen aber sind so gefährlich wie SAM. Halten Sie sich das nächste Mal dichter überm Boden, Captain.«
»Jawohl, Sir.«
»Sie haben übrigens bestanden.« Captain Willis bedankte sich nicht erst großartig bei dem Colonel, sondern verkündete: »Ich übernehme.«
PJ nahm die Hand vom Knüppel. »Pilot übernimmt«, bestätigte er. »Ach ja, da wäre noch etwas. In einer Woche hätte ich einen Sonderauftrag. Interesse?«
»Worum geht es?«
»Das sollten Sie mich nicht fragen«, erwiderte der Colonel. »Kleine Dienstreise, nicht zu weit weg. Wir fliegen den Vogel nach Süden zu einer Spezialoperation, sagen wir mal.«
»Gut«, meinte Willis. »Ich mache mit. Wer darf davon erfahren?«
»Schlicht und einfach niemand. Wir nehmen Zimmer, Childs, Bean und ein unterstützendes Team mit. Offiziell nehmen wir an einer Übung an der kalifornischen Küste teil. Mehr brauchen Sie im Augenblick nicht zu wissen.«
Unter seinem Helm zog Willis die Brauen hoch. Zimmer hatte schon seit Thailand und Vietnam mit PJ zusammengearbeitet und war einer der wenigen Mannschaftsgrade, die noch echte Gefechtserfahrung hatten Sergeant Bean war der beste Schütze der Staffel. Childs saß direkt hinter ihm. Was immer dieser Sondereinsatz bedeuten mochte er war ernst. Es bedeutete auch, daß Willis noch ein wenig länger Dienst als Kopilot tun mußte, aber das störte ihn nicht. Es war immer ein Vergnügen, mit dem besten Such- und Rettungspiloten zu fliegen.
Chavez tauschte einen Blick mit Julio Vega: Jesucristo!
»Irgendwelche Fragen?« ließ sich der Offizier, der die Einsatzbesprechung leitete, vernehmen. »Ja, Sir«, sagte ein Funker. »Was passiert, wenn wir ein Ziel gemeldet haben?«
»Dann wird die Maschine abgefangen.«
»In echt, Sir?«
»Das hängt von der Besatzung des betreffenden Flugzeugs ab. Wenn sie unseren Anweisungen nicht folgt, landet sie im Bach. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Gentlemen. Alles, was Sie bisher gehört haben, ist streng geheim. Niemand - und ich meine niemand! darf erfahren, was ich gerade gesagt habe. Der Zweck der Übung ist, den Drogenschmugglern einen Dämpfer zu versetzen. Und dabei kann es hart hergehen.«
»Wurde auch langsam Zeit«, bemerkte jemand leise. »Nun, jetzt wissen Sie Bescheid. Ich wiederhole: Diese Mission wird gefährlich. Wir geben Ihnen allen Bedenkzeit. Wenn jemand aussteigen will, haben wir Verständnis. Wir haben es mit einem ziemlich üblen Gegner zu tun. Andererseits sind wir hier…« der Mann lächelte und sprach dann weiter »auch nicht von Pappe.« »Jawoll!« rief ein anderer. »Wie auch immer, Sie können sich das Ganze bis morgen früh durch den Kopf gehen lassen. Morgen um achtzehn Uhr geht es los. Dann gibt es kein Zurück mehr. Ist das allen klar? Gut. Das wäre alles.«
»Achtung!« schrie Captain Ramirez. Alle sprangen auf und nahmen Haltung an, als der Offizier den Raum verließ. Dann ergriff Ramirez das Wort. »So, ihr habt den Mann gehört. Überschlaft das gut, Leute. Natürlich will ich euch dabei haben verdammt, ich brauche jeden einzelnen von euch, aber wem nicht wohl bei der Sache ist, der soll lieber aussteigen. Noch Fragen?« Schweigen. »Gut, einige von euch kennen Leute, die von Drogen ruiniert worden sind. Freunde vielleicht oder Verwandte. Hier bietet sich uns die Chance, es den Narcos heimzuzahlen. Die Kerle versauen unser Land, und es ist an der Zeit, daß ihnen jemand
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