06 - Der Schattenkrieg
Maximalhöhe von tausend Fuß zu halten hatten. Die Positionslichter mußten ausgeschaltet bleiben. Insgesamt also ein Missionsprofil, das Kriegsbedingungen entsprach und sich über einige Regeln der Flugsicherheit hinwegsetzte. Der letztere Aspekt war selbst für Spezialoperationen ungewöhnlich. Die kolumbianische Küste erreichten sie ohne weitere Vorkommnisse. Sobald sie in Sicht gekommen war, alarmierte Johns seine Crew. Sergeant Zimmer und Sergeant Bean schalteten den elektrischen Antrieb der Minikanonen ein und schoben die Seitentüren auf.
»So, und jetzt hat unsere Invasion eines befreundeten Landes begonnen«, konstatierte Willis, als sie »trockenen Fußes« das Land nördlich von Tolü überflogen. Mit Nachtsichtgeräten hielten sie nach Fahrzeugverkehr Ausschau, den sie ebenfalls zu meiden hatten. Ihr Kurs war so gewählt, daß er in sicherem Abstand an menschlichen Ansiedlungen vorbeiführte. Der sechsblättrige Rotor erzeugte nicht das für Hubschrauber typische klatschende Geräusch, sondern klang aus der Ferne fast wie ein Turboprop. Nachdem sie die Carretera Panamericana hinter sich gelassen hatten, flogen sie im weiten Bogen nach Norden und ließen Plato im Osten liegen.
»Zimmer, LZ 1 in fünf Minuten.«
»Okay, PJ«, erwiderte der Bordingenieur. Man hatte beschlossen, Bean und Childs an den Kanonen zu lassen, während Zimmer das Absetzmanöver leitete.
Muß ein Gefechtsauftrag sein, dachte Johns lächelnd. PJ sagt nur Buck zu mir, wenn er erwartet, beschossen zu werden.
Hinten wies Sergeant Zimmer die ersten beiden Züge an, ihre Gurte zu lösen, und hob die Hand, um mit den Fingern anzuzeigen, wie viele Minuten es noch waren. Die beiden Captains nickten. »LZ 1 in Sicht«, meldete Willis kurz darauf. »Ich übernehme.«
»Pilot übernimmt.« Colonel Johns umkreiste das Gebiet und näherte sich der mittels Satellitenfotos ausgewählten Lichtung. Willis suchte den Boden nach Lebenszeichen ab, konnte aber keine entdecken.
»Scheint alles klar zu sein, Colonel.«
»Ich fliege an«, sagte Johns in die Bordsprechanlage. »Bereitmachen!« brüllte Zimmer, als die Nase des Hubschraubers sich hob.
Chavez stand mit dem Rest seines Zuges auf und wandte sich der hinteren Frachttür zu. Er knickte leicht in den Knien ein, als der Sikorsky aufsetzte.
»Los!« Zimmer winkte sie hinaus und schlug jedem Mann auf die Schulter.
Chavez sprang hinter seinem Captain auf den Boden und wandte sich nach links, um dem Heckrotor auszuweichen, tat zehn Schritte und warf sich dann auf den Bauch. Über ihm drehte sich der Hauptrotor mit Volleistung.
»Alles klar!« rief Zimmer, als alle draußen waren. »Roger«, versetzte Johns und gab Gas. Chavez wandte den Kopf, als das Heulen der Triebwerke lauter wurde, sah den verdunkelten Hubschrauber abheben wie ein Schemen und spürte ein Brennen von fliegenden Staubpartikeln im Gesicht, als der vom Rotor erzeugte Hundert-Knoten-Sturm sich gelegt hatte. Die Maschine war fort. Er hätte auf die Reaktion gefaßt sein sollen, war aber doch überrascht, als sie kam. Er war auf feindlichem Territorium. Dies war keine Übung. Die einzige Verbindung mit der Außenwelt, die einzige Fluchtmöglichkeit war gerade verschwunden und kaum noch zu hören. Obwohl zehn Männer um ihn waren, überfiel ihn jäh ein Gefühl der Einsamkeit. Doch er war ein trainierter Mann, ein Berufssoldat. Chavez packte seine Waffe, und das gab ihm Kraft. Ganz allein war er nicht. »Los«, sagte Captain Ramirez leise. Chavez hielt auf den Waldrand zu und wußte, daß die anderen ihm folgen würden.
11
Im Land
Dreihundert Meilen von Sergeant Ding Chavez entfernt saß Felix Cortez, der ehemalige Oberst des kubanischen DGI, in el Jefes Büro und döste. El Jefe, hatte er bei seiner Ankunft erfahren, war im Augenblick beschäftigt wahrscheinlich mit einer seiner Mätressen, womöglich sogar mit seiner Frau. Cortez hatte zwei Tassen Kaffee getrunken Kolumbiens Hauptexportartikel, war aber immer noch müde von den Anstrengungen der vergangenen Nacht, dem Flug und nun von der Umstellung auf die Höhenlage. Er war bettreif, mußte aber wach bleiben, um seinem Chef Bericht zu erstatten. Rücksichtsloser Kerl, dachte er. Beim DGI hätte er eine kurze schriftliche Meldung verfassen und sich dann ein paar Stunden aufs Ohr legen können. Aber der DGI wurde halt von Profis geführt, und er hatte sich einen Amateur als Arbeitgeber ausgesucht.
Kurz nach halb zwei Uhr früh hörte er Schritte im Korridor. Cortez stand auf und
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