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06 - Der Schattenkrieg

06 - Der Schattenkrieg

Titel: 06 - Der Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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fand die Armut, von der diese Überreste zeugten, deprimierend. Die Menschen, die in dieser Gegend lebten, hatten Namen wie er, und ihre Sprache unterschied sich nur durch ihren Akzent von der, die in seinem Elternhaus benutzt worden war.
Wäre ich womöglich hier aufgewachsen, wenn mein Großvater nicht beschlossen hätte, nach Kalifornien zu gehen und sich als Salatpflücker zu verdingen? fragte er sich. Was wäre dann aus mir geworden? Ein Drogenschmuggler oder ein Revolverheld der Kartellbosse? Ein beunruhigender Gedanke. Er war zu stolz, um ernsthaft an diese Möglichkeit zu denken, ahnte aber, daß hier eine tiefe Wahrheit verborgen lag. Die Menschen hier waren bitterarm und ergriffen jede Chance. Wie gestand man seinen Kindern, daß man sie nur ernähren konnte, indem man etwas Illegales tat? Nein, das brachte kein Mensch fertig. Mehr als ihren Hunger verstanden die Kinder nicht. Arme Leute haben nur wenige Optionen. Chavez war fast aus Zufall zur Army gekommen und hatte dort Sicherheit, Chancen, Kameradschaft und Respekt gefunden. Was aber hätte ihm hier unten geblüht…? Arme Teufel. Doch was wurde aus den Leuten seines Barrios? Ihr Leben war vergiftet, das Viertel ruiniert. Wer war daran schuld?
Solltest mehr arbeiten und weniger grübeln, ’mano, sagte er sich und schaltete sein Nachtsichtgerät für die nächste Marschetappe ein.
Sie drangen wieder in den Dschungel ein, der hier nicht so dicht war wie in Panama. Er ging aufrecht und nicht gebückt, wie man erwartet hätte, tastete den Boden mit den Füßen nach trockenen Zweigen ab, die knacken konnten. Büsche, die rascheln konnten, mied er, und auf Lichtungen hielt er sich am Waldrand, damit seine Silhouette sich nicht gegen den bewölkten Himmel abhob. Der größte Feind aber waren Geräusche; erstaunlich, wie scharf das Gehör im Busch wurde. Chavez glaubte, jedes Insekt, jede Vogelstimme, jeden Windhauch hoch oben in den Baumkronen vernehmen zu können, doch es gab kein Geräusch, das von Menschen stammte. Er ging zwar nicht gerade entspannt, aber doch selbstsicher vor und fühlte sich wie auf einer Feldübung. Alle fünfzig Meter blieb er stehen und lauschte auf Geräusche der Männer hinter ihm. Kein Flüstern, und selbst von Oso, der die schwere MG schleppte, kam kein Ton.
Wie gut ist der Gegner? fragte sich Ding. Vielleicht so gut wie die Mitglieder seiner alten Bande. Sie kultivierten körperlich Härte, aber nicht auf geordnete Weise. Schlägertypen, die brutal waren, wenn sie in der Zahl oder Bewaffnung im Vorteil waren. Mit ihren soldatischen Fähigkeiten war es demnach nicht weit her; sie operierten durch Einschüchterung und würden große Augen machen, wenn jemand sich nicht einschüchtern ließ. Manche mochten gute Jäger sein, es aber nicht verstehen, als Team vorzugehen. Überwachung, Erkundung und Feuerschutz mußten ihnen fremde Begriffe sein. Mit einem Hinterhalt mochten sie sich auskennen, aber die Feinheiten des Spähens mußten ihnen ein Rätsel sein. Richtige Disziplin mußte ihnen fehlen. Chavez war sicher, an ihrem Angriffsziel Männer vorzufinden, die beim Wachdienst rauchten. Das Soldatenhandwerk zu erlernen, braucht Zeit. Zeit, Disziplin und Willen. Nein, er hatte es nur mit groben Schlägern zu tun. Und solche Typen waren im Grund feige. Hier waren Söldner, die nur für Geld töteten. Auf der anderen Seite stand Chavez, der freudig seine Pflicht für sein Land und seine Kameraden tat. Die Unruhe, die er nach dem Abflug des Hubschraubers empfunden hatte, legte sich. Obwohl seine Aufgabe nur Aufklärung war, wünschte er sich insgeheim, seine MP einmal benutzen zu können.
    MOTORSÄGE erreichte er zum vorgesehenen Zeitpunkt. Nachdem sich der Zug dort erneut kurz ausgeruht hatte, führte Chavez die Männer zum Ziel des Nachtmarsches, Checkpoint RASPEL. Hier sah er sich gründlich nach Spuren jagdbarer Tiere und möglicher Jäger um, fand aber nichts. Kurz darauf traf der Zug ein, der einen Haken geschlagen hatte, um etwaige Verfolger zu stellen. Ramirez untersuchte den Rastplatz so genau wie Chavez und kam zu dem gleichen positiven Schluß. Die Männer suchten sich paarweise Plätze zum Essen und Schlafen. Ding tat sich mit Sergeant Vega zusammen und ging im Nordwesten des Lagers der Richtung, aus der eine Bedrohung am wahrscheinlichsten war mit einem MG auf Posten. Sergeant Olivero, der Sanitäter, nahm einen Mann mit zu einem nahen Bach, um die Feldflaschen aufzufüllen. Man hob eine Latrine aus, die auch als Abfallgrube

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