06 - Der Schattenkrieg
vier Spezialisten vom Justizministerium hatten einen Tag lang über Mark Brights Bericht gesessen. Der elektronische Zahlungsverkehr hatte die Aktion sehr erleichtert. Irgendwo im Justizministerium saß ein Mann, der die Computer jeder Bank auf der Welt anzapfen konnte. Vielleicht war es auch jemand vom Geheimdienst oder gar eine Privatperson; was auf diesem Gebiet als legal gelten konnte, war noch sehr unklar. Auf jeden Fall hatte man durch Vergleichen von Unterlagen der Börsenaufsicht mit zahlreichen Banktransaktionen das Drogengeld, mit dem die Unternehmen des »Opfers« finanziert worden waren, identifiziert. Sechshundert Millionen Dollar standen kurz vor der Beschlagnahmung, nicht mitgerechnet der Verkaufserlös der Tarnfirmen.
Was für eine Unverfrorenheit, das schmutzige Geld einfach hier zu waschen und zu investieren! Juan hat sie mit Recht arrogant geheißen, dachte Moira. Na, jetzt würde ihnen das Grinsen vergehen. Die Regierung konnte nun mindestens sechshundert Millionen Dollar beschlagnahmen, nicht gerechnet den Profit beim Verkauf der Liegenschaften. Sechshundert Millionen Dollar! Eine unglaubliche Summe. Gewiß, sie hatte gehört, daß im Drogengeschäft »Milliarden« aus dem Land flössen, aber diese Schätzungen waren ungefähr so akkurat wie der Wetterbericht. Fest stand, sagte der Direktor in seinem Diktat, daß das Kartell mit seiner bisherigen Geldwaschmethode unzufrieden gewesen war oder festgestellt hatte, daß der Kapitalfluß zurück in sein Land ebenso viele Probleme erzeugte, wie er löste. Es hatte daher den Anschein, als sei das einmal gewaschene Einstandskapital plus der dabei entstandenen Profite in einen riesigen Investmentfonds eingebracht worden, der dann ganz legal Firmen in Kolumbien oder jedem anderen Land übernehmen konnte, in denen das Kartell eine politische oder wirtschaftliche Basis aufbauen wollte. Interessant dabei war, fuhr Emil fort, daß dies nur das Vorspiel zu dem Versuch sein konnte, die gesamte Operation legal und im lateinamerikanischen Kontext akzeptabel zu machen.
»Wann brauchen Sie das, Sir?« fragte Mrs. Wolfe ihren Chef. »Ich habe morgen früh einen Termin beim Präsidenten.«
»Kopien?«
»Fünf, alle numeriert. Moira, dieses Material ist streng geheim«, erinnerte er.
»Sowie ich fertig bin, freß ich die Diskette«, versprach sie. »Sie sind mit Assistant Director Grady zum Mittagessen verabredet, und der Justizminister hat das Abendessen morgen abgesagt, weil er nach San Francisco muß.«
»Was will er denn dort?«
»Sein Sohn hat ganz kurzfristig beschlossen, sich zu verheiraten.«
»Das geht ja hopplahopp. Wie weit sind Sie von einem solchen Schritt entfernt?«
»Ich stehe kurz davor. Wissen Sie schon, wann Sie nach Kolumbien fliegen? Ich möchte gerne Ihren Terminkalender entsprechend ändern.«
»Das kann ich leider noch nicht sagen. Auf meine Termine sollte die Reise aber keine große Auswirkung haben, denn ich fahre übers Wochenende.«
»Sehr gut«, meinte Moira und ging lächelnd hinaus.
»Guten Morgen.« Der US-Staatsanwalt war siebenunddreißig und hieß Edwin Davidoff. Es war sein Ehrgeiz, seit Menschengedenken der erste jüdische Senator aus Alabama zu werden. Der hochgewachsene, massive Mann, der an der Universität Ringer gewesen war, hatte es verstanden, sich auf seinem Posten den Ruf eines zupackenden, tüchtigen und grundehrlichen Streiters für die Interessen des Volkes zu erwerben. In Bürgerrechtsfällen sprach er bei seinen Presseerklärungen immer vom geltenden Gesetz und all den Dingen, für die Amerika steht. Hatte er es mit einem großen Strafprozeß zu tun, beschwor er Law and Order und den Schutz, den die Bürger erwarteten. Davidoff redete überhaupt viel. In Alabama gab es keinen Rotarierclub oder Optimistenverband, vor dem er im Lauf der letzten drei Jahre nicht gesprochen hatte, und auch von den Organisationen der Polizei hatte er keine einzige ausgelassen. Seine Stelle als Hauptankläger der Bundesregierung im Staat war vorwiegend administrativer Natur, aber hin und wieder übernahm er einen Fall, und zwar grundsätzlich solche, die großes Aufsehen erregten. Ganz besonders war er hinter politischer Korruption her, wie drei Abgeordnete des Staatsparlaments zu ihrem Leidwesen feststellen mußten. Die Gesetzgeber harkten nun den Sand auf dem Golfplatz des Luftstützpunkts Eglin. Edward Stuart nahm vor dem Schreibtisch Platz. Davidoff war ein höflicher Mann, der aufgestanden war, als Stuart eintrat. Höfliche
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