06 - Die Angel Chroniken 1
mußt dich bereithalten."
Aber war er selbst bereit, fragte sich Angel und erinnerte sich an ihre zweite Begegnung später am Tag. Sie war in die Höhle der Vampire hinabgestiegen, um einen Freund zu retten. Er hatte sie beschattet, weil er ihr helfen wollte, aber er hatte noch nicht gewagt, seine wahre Identität preiszugeben. Es war noch nicht der richtige Zeitpunkt.
Er hatte viel riskiert, als er ihr seinen Namen genannt hatte. Ihr Lehrer und Wächter Rupert Giles genoß ein hohes Ansehen als gründlicher Forscher. Wenn Giles alle Wächter-Chroniken kannte...
Angel war sich nicht sicher, ob er ihr je verraten würde, wer er wirklich war. Er fing an, sie zu mögen.
Sehr sogar.
Sie würde schreiend vor ihm weglaufen, wenn sie je sein Geheimnis erfahren würde.
Oder sie würde ihn töten.
Aber weil heute die Nacht des Beutezugs war, hatte er versucht, ihr auszureden, unter die Erdoberfläche zu gehen und einen sterblichen Jungen zu retten.
Ihr Gesichtsausdruck war sehr entschlossen gewesen, als sie gesagt hatte: „Ich habe einen Freund da unten - na ja, einen potentiellen Freund." Sie hatte ihn flüchtig angelächelt. „Weißt du, wie es ist, einen Freund zu haben?"
Er hatte ihr Lächeln nach dieser Frage nicht erwidert. Sonst hätte sie vielleicht bemerkt, daß er keine Freunde hatte und allein war. Sie hätte vielleicht den Hunger in seinem Gesicht wahrgenommen nach all dem, was er hinter sich gelassen hatte, und nach den Dingen, die ihm genommen worden waren.
Aber vielleicht spürte auch sie die ersten Anzeichen eines Verlangens, das nicht sein durfte.
Als jedoch die Vampire mit ihren monströsen, angstverzerrten Gesichtern aus dem Bronze flohen, da hatte Angel gelächelt.
Dann schritt er leise durch die Nacht davon.
Allein.
Im Bronze stand Buffy mit ihrem neuen Wächter Rupert Giles und ihren neuen besten Freunden Willow Rosenberg und Xander Harris zusammen. Sie sahen zu, wie sich die Asche der toten Vampire, darunter auch die des Meisters, bereits in der Luft zerstreute. Lediglich das verwüstete Mobiliar erinnerte noch an den Angriff der Vampire.
Das - und die Leichen derjenigen, die den Vampiren zum Opfer gefallen waren. Die meisten Gäste waren bereits schreckerfüllt geflohen, aber einige Mutige waren geblieben. Fassungslos und schweigend standen sie da.
Buffy nahm das ganze Ausmaß des Blutbads erst jetzt richtig wahr. Sie beobachtete die erschrockenen Gesichter der Menschen, zu deren Schutz sie im Notfall auch bereit sein mußte, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Wieder einmal wurde ihr auf grausame Weise bewußt, daß sie ihrem Schicksal nicht entrinnen konnte. Auch nachdem sie mit ihrer Mutter nach Sunnydale umgezogen war, blieb sie, was sie immer war: die Jägerin.
Das weckte ein Gefühl der Einsamkeit in ihr. Sie war anders als die anderen.
Und sie sehnte sich verzweifelt nach jemandem, der die dunkle Welt kannte, in der sie sich bewegen mußte.
Sie dachte an den faszinierenden, verdammt gutaussehenden jungen Mann, der ihr offenbar helfen wollte. Dieser mysteriöse Angel.
Sie fragte sich, ob sie ihn wohl jemals wiedersehen würde.
Und wenn ja, was er ihr bedeuten würde, und sie ihm.
ERSTE CHRONIK: ANGEL PROLOG
Das Lager der Untoten: eine Kirchenruine tief unter der Erde, stinkend nach Verfall, Verwesung und Tod. Trügerisch warm der Schein Hunderter Kerzen. Eine Blutlache.
Ein kleiner Junge warf Kieselsteine in die dicke, dunkelrote Flüssigkeit.
Neben ihm saß ein ganz in Leder gekleideter Vampir und lächelte nachsichtig» In seiner ausgestreckten Hand lagen noch mehr Kiesel für das scheinbar unschuldige Spiel des Jungen.
Aber er war kein gewöhnlicher Junge. In seinem sterblichen Leben hatte man ihn Collin genannt. Dann war er gestorben. Jetzt war er der Gesalbte, und er diente dem Vampir, der königgleich auf einem mit Ornamenten reich verzierten Thron saß:
Der Meister, der König aller Vampire im Höllenschlund. Im sterblichen Leben war der Meister genau das gewesen, was er auch heute war; ein Monster.
Daria, die von ihrer Jagd zurückkehrt war, näherte sich ihnen von hinten.
Wie Collin verbarg auch sie ihr wahres Wesen unter einem Deckmantel der Unschuld: Ihr hübsches Gesicht wurde umrahmt von blondem Haar, und sie trug die Uniform einer privaten Mädchenschule. Sie hüpfte fast durch den Raum, denn sie wußte, sie war der Liebling des Meisters. Ihr kaltes, herz- und seelenloses Wesen sehnte sich nach der Nacht, in der der Meister sich endlich aus seinem Verlies
Weitere Kostenlose Bücher