06 - Geheimagent Lennet unter Verdacht
sich:
»Hier die Sekretärin des Chefs des Verbindungsstabs für Wehrwissenschaft.«
Lennet begann zu flüstern:
»Therese?«
Sofort veränderte sich der Tonfall der Stimme am anderen Ende der Leitung. Therese fragte zärtlich:
»Bist du es, Jojo?«
»Ja, ich bin es.«
Lennet flüsterte noch immer.
»Hör zu, ich muß dich unbedingt sprechen. Sofort!«
»Aber Jojo, es ist noch nicht vier Uhr. Wie soll ich denn von hier verschwinden?
»Therese, es ist sehr dringend.«
»Du scheinst mir sehr aufgeregt zu sein. Ist denn etwas Ernstes vorgefallen?«
»Ja, etwas sehr Ernstes.«
»Du willst mir nicht etwa einen Streich spielen?«
»Nein. Ich muß dich in einer halben Stunde sprechen. Sag' deinem Chef, du bist krank. Sag ihm irgend was. Ich warte auf dich im kleinen Cafe gegenüber, wie üblich.«
Und Lennet legte auf. Er freute sich darüber, das Gespräch mit diesem ,wie üblich' beendet zu haben, das es einigermaßen wahrscheinlich klingen ließ.
Welch ein Glück, dachte er, daß der General es für richtig gehalten hat, mir zu erzählen, wo er den kleinen Jojo gesehen hatte.
Er sprang in ein Taxi und ließ sich zum Boulevard Latour-Maubourg fahren. Gerade gegenüber vom Eingang des großen Gebäudekomplexes um den Invalidendom befand sich ein kleines Cafe. Er setzte sich auf die Terrasse und hoffte dabei, daß Therese vor Unruhe das Büro nicht vor der verabredeten halben Stunde verlassen hatte.
Inzwischen blieb ihm noch Zeit, sich zu überlegen, wie er sich an sie heranmachen wollte.
Während er darüber nachdachte, beobachtete er den Eingang des Gebäudes. Schließlich erschien genau eine halbe Stunde nach ihrem Telefongespräch Therese.
Nicht einen Augenblick zweifelte er daran, daß sie es war. Sie war groß, schlank und trug ein marineblaues Kostüm. Man brauchte sie nur anzusehen, um zu wissen, daß sie die Sekretärin des Generals war. Während sie die Straße überquerte, konnte Lennet ihr hübsches Gesicht betrachten.
Es wirkte vielleicht wegen der allzu ruhigen Augen zurückhaltend. Sie hatte kastanienbraunes, tadellos geschnittenes und frisiertes Haar und schien ein wenig hochmütig zu sein. Aber das alles sagte noch nicht viel über sie aus. So war er entschlossen, kühn auf sein Ziel loszugehen.
Das junge Mädchen blieb vor dem Eingang des Cafes stehen, sah sich um und suchte den ,kleinen Jojo'. Lennet trat sehr selbstsicher auf sie zu.
Groß und schlank das konnte nur Therese sein
»Mademoiselle Therese", sagte er, »ich komme im Auftrag von Jojo.«
Sie musterte ihn aufmerksam.
»Wer sind Sie?«
»François Brulard. Jojo muß Ihnen schon oft von mir erzählt haben.«
»Nie.«
»Na gut, dann ist er eben verschwiegener gewesen, als ich angenommen hatte. Kommen Sie. Bleiben wir nicht hier. Man könnte uns sehen.«
Er nahm sie am Ellbogen und zog sie mit sich zu seinem Wagen. Aber Therese wich ihm aus.
»Warum sollte man uns denn nicht sehen dürfen. Hat Jojo Sie beauftragt, mich aufzusuchen? Und zunächst einmal, wo ist überhaupt Jojo? Er wollte doch hier auf mich warten. Warum ist er nicht da?«
»Nein, Therese. Ich bin es, der Sie angerufen hat. Es war gar nicht Jojo!«
»Und Sie haben sich als Jojo ausgegeben?«
»Ja. Es war keine Zeit zu verlieren. Jojo wußte, wie mißtrauisch Sie sind. So hat er zu mir gesagt: ,Sie wird es vielleicht wegen ihres Chefs ablehnen, herauszukommen. Da ist es besser, wenn du so tust, als sei ich es, der sie anruft.'"
Therese blieb zwei Schritt von dem kleinen Citroen entfernt stehen.
»Und wer beweist mir", entgegnete sie, »daß Sie wirklich ein Freund von Jojo sind?«
»Ich kenne Ihren Namen und den seinen. Ich habe Sie auch auf Anhieb erkannt, weil er mir oft von Ihnen erzählt hat. Er ruft Sie auch häufig im Büro an, wobei er sich als Vertreter irgendeiner Firma ausgibt. Was verlangen Sie mehr? Steigen Sie ein. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Endlich entschied sie sich, in den Wagen zu steigen, und er setzte sich ans Steuer.
»Nun?« fragte sie. »Worum handelt es sich?«
Eine berufsmäßige Spionin, dachte Lennet, hätte sich nicht so leicht mitnehmen lassen. In einem Wagen ist man wehrlos.
Er sagte mit lauter, spöttischer Stimme:
»Hat Ihnen Jojo wirklich niemals von mir erzählt? Das ist doch seltsam!«
»Ob es seltsam ist, weiß ich nicht", erwiderte Therese, »aber so ist es nun einmal. Los, sagen Sie, was Sie mir zu sagen haben. Ich habe es eilig. Zunächst einmal, wohin bringen Sie mich?«
»Und ich bleibe
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