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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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feurigen Temperamente des Tieres gefährlich aussah, obwohl es dabei dem Drucke jedes seiner Muskeln gehorchte. Watter schoß sofort zur Tür hinaus. Ihm folgte etwas langsamer der Sheriff, dem der Konstabler noch voraneilte. Wir erfuhren dann, daß sie sich eine andere Stube genommen hatten, die nicht, wie der Sheriff sich ausgedrückt hatte, „als Manege zum Zureiten von Indianerpferden benutzt wird!“
    Zu Pferde in das Gastzimmer eines Hotels zu kommen, konnte nur der Gedanke eines Winnetou sein, der so ein Reiter war, daß er nichts beschädigt hätte, selbst wenn die Tische und Stühle von Glas gewesen wären. Unsere Hengste waren Brüder, Pferde edelster Abkunft, vollständig fehlerlos, feurig, mutig, ausdauernd, klug und trotz ihres Feuers lammfromm, allerdings nur gegen uns beide. Winnetou hatte sie selbst indianisch zugeritten und dressiert. Der Name seines Hengstes war Iltschi (Wind), des meinigen Hatatitla (Blitz), welches Apatschenwort auf den beiden letzten a betont und als Hatahtitlah ausgesprochen wird. Mein Hatatitla stand mir, sooft ich kam, zur Verfügung und war, solange ich mich mit Winnetou zusammenbefand, mein Eigentum, welches ich ihm übergab, sobald ich mich von ihm trennte. Ich hätte das Pferd mitnehmen können, was ich aber natürlich niemals tat. Unsere äußerliche Zusammengehörigkeit und innere Harmonie bekam durch den Umstand, daß wir stets zwei ganz gleiche Pferde ritten, eine sehr zutreffende Illustration.
    Winnetou stieg, als die erwähnten Personen aus der Stube gegangen waren, ab und führte den Hengst hinaus, um ihn und Hatatitla anzubinden. Die Hufe hatten auf der Diele keine Spur gemacht, weil sie unbeschlagen waren. Der Wirt sagte zu mir:
    „Ich habe mir gleich gedacht, daß Sie nicht bloß so ein herumlaufender und zuweilen schreibender Mr. Meier seien; meine Frau wird das bestätigen. Daß ein so bedeutender Diebstahl bei mir stattgefunden hat, ist ein außerordentlich unangenehmer Fall, der aber mehr als aufgewogen wird durch die hohe Ehre, daß Sie und der berühmte Häuptling der Apatschen meine Gäste sind. Ich hoffe doch, daß auch Winnetou bei mir logieren wird?“
    „Für heut kann ich zusagen, für morgen aber nicht mehr“, antwortete ich, „denn ich glaube, daß wir morgen nach dem Westen aufbrechen werden.“
    Da fragte Hiller schnell:
    „Nach dem Westen, also nicht nach dem Osten, wohin Sie doch erst wollten?“
    „Ja. Winnetou kommt jetzt von St. Joseph herab und hätte unbedingt einen andern, dort gekauften Anzug an und auch die Pferde in der dortigen Gegend in Pension gelassen, wenn die Absicht, nach dem Osten zu gehen, nicht eine andere geworden wäre. Ich verstehe alles, was er tut, ohne ihn zu fragen.“
    Das war Wasser auf die Mühle des Oberkellners, welcher mit einer tiefen Verbeugung zu mir sagte:
    „Verzeihen Sie, wenn ich es vielleicht an der nötigen Höflichkeit habe mangeln lassen; ich wußte ja nicht, wer Sie sind! Darum also, weil Sie Old Shatterhand sind, konnten Sie mit so großer Bestimmtheit sagen, daß ich Winnetou nicht in St. Joseph treffen würde! Ich bin ganz überglücklich über den Vorzug, Sie in unserm Hause eingekehrt zu sehen, und bitte um die Erlaubnis, daß eine innere Stimme mir sagt, mein Herzenswunsch, indianisch-medizinische Studien machen zu dürfen, werde jetzt in Erfüllung gehen!“
    „Wenden Sie sich an Winnetou!“
    „Oh, er wird tun, was Sie wollen, Mylord!“
    „Möglich! Aber ich weiß jetzt noch nicht, aus welchen Gründen er unserm Plane eine Änderung gegeben hat, und kann erst dann, wenn ich sie erfahren habe, Ihnen eine bestimmte Zu- oder Absage geben.“
    Wenigstens ebensosehr wie Rost freute sich Hiller über die Ankunft meines roten Bruders, denn erstens war er schon darüber glücklich, ihn überhaupt einmal zu sehen, und zweitens glaubte er, daß sich die Hoffnungen, welche er in Beziehung auf seinen Vater hegte, nun erfüllen würden. Als der Apatsche wieder hereinkam und sich zu mir und ihm setzte, richtete der junge Mann seinen Körper kerzengrad im Stuhle auf und ließ diese hochachtungsvolle Haltung auch nicht wieder fallen, bis er sich entfernte.
    Es wäre ein Irrtum, zu denken, daß Winnetou nun von sich, seinem Ritte und seinen Absichten gesprochen hätte. Das tat er nicht, und ich erwartete es auch nicht von ihm, denn ich kannte ihn. In solchen Angelegenheiten war er der schweigsame Mann, der nur dann sprach, wenn es notwendig war, aber auch kein einziges Wort zuviel. Ich hatte

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