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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Werkzeuge und er hatte einen Gehilfen, dem er sie an dieser Schnur hinunterließ. Der Gehilfe ging, um die Nuggets zu stehlen; als das geschehen war, brachte er die Werkzeuge wieder, band sie unten an die Schnur, und der Prayer-man zog sie herauf; sie waren aber nicht fest zusammengebunden, und so fiel eins heraus und blieb draußen im Gezweig des wilden Weines hängen, welcher an der Mauer wächst. Hier ist es. Solche Werkzeuge steckt man nicht in die Taschen des Gewandes; er hatte sie also nicht bei sich, als er floh, zumal seine Flucht sehr schnell geschah; sie sind noch hier. Die Bleichgesichter mögen noch einmal alles aus dem Bette werfen!“
    Es fiel ihm nicht ein, das Bett anzurühren. Der Konstabler warf ein Stück nach dem andern heraus. Es lag nichts drin, was nicht hineingehörte, auch nichts darunter.
    „Die Bleichgesichter mögen auch den Koffer leeren!“ befahl nun Winnetou.
    Der Sheriff erklärte, daß dies bereits einmal geschehen und nichts dabei gefunden worden sei; man mache sich die Mühe also überflüssig. Als die Papiere, welche drin lagen, herausgenommen worden waren, war der Koffer leer. Winnetou nahm ihn in die Hand, behielt ihn einen Augenblick in derselben, lächelte und gab ihn mir. Ich fühlte sofort, daß er schwerer war, als er hätte sein dürfen, wenn er wirklich leer gewesen wäre.
    „Mein Bruder Shatterhand messe die Tiefe von außen und von innen!“ forderte mich Winnetou auf.

Ich tat dies durch die Handspanne und fand, daß er einen hohlen Boden haben müsse. Die Untersuchung ergab, daß er einen bis oben reichenden Einsatz hatte, den wir nun herauszogen; dann schütteten wir den geheimen Inhalt heraus, der aus Nachschlüsseln, Bohrern, Feilen und sonstigen Werkzeugen bestand, welche alle so gearbeitet waren, daß sie möglichst wenig Platz einnahmen. Von einem Meißel, der so schmal war, daß er als Zieher kleiner Schrauben benutzt werden konnte, war die Spitze abgebrochen. Winnetou betrachtete die Bruchstelle aufmerksam und fragte dann:
    „Die Bleichgesichter haben auch in der Stube, wo die Nuggets waren, keine Spur gefunden?“
    „Nein, nicht die geringste“, antwortete der Sheriff.
    „Sie mögen uns hinführen!“
    Wir gingen über den Hof in das Vorderhaus und dort nach Watters Zimmer, welches ein Eckzimmer wie das meinige war. Hier standen mehr und bessere Möbel, als drüben. Der Schrank war offen; der leere, noch angeschraubte Kasten stand drin. Winnetou sah und griff hinein und ließ den offenen Deckel in den Scharnieren spielen.
    „Das ist alles nutzlos!“ erklärte Watter. „Ich selbst erst habe ihn aufgeschlossen, und der Schlüssel ist nicht aus meiner Tasche gekommen!“
    Nun langte Winnetou mit der Hand hinter den Kasten und suchte dort.
    „Uff!“ rief er aus, indem er sich aufrichtete und uns ein kleines, scharfes Eisenstückchen zeigte. „Dieser Schrank steht nicht an einer Mauer, sondern an einer Tür!“
    „Das ist richtig!“ sagte der Wirt erstaunt, denn der Schrank verdeckte die Tür so vollständig wie in dem Zimmer neben dem meinigen; Winnetou hatte sie also nicht sehen können.
    „Man öffne die Stube, zu welcher diese Tür führt“, befahl Winnetou. „Von dort aus ist die hintere Wand des Schrankes aufgemacht worden, und weil der Dieb den Schlüssel zum Kasten nicht gehabt hat, hat er die Gelenke (Scharniere) des Deckels aufgeschraubt. Als er sie später wieder zuschraubte, ist die Spitze des Meißels abgebrochen, welche ich gefunden habe. Er hat die Schrauben nicht ganz, sondern nur halb wieder hineingebracht; das fühlte ich gleich, als ich hingriff!“
    Der Schlüssel wurde geholt; wir gingen in das Nebenzimmer und öffneten die Verbindungstür. Da standen wir vor der Hinterwand des Schrankes und sahen sofort, daß ein Teil derselben weggenommen worden war. Der Schrank war ein leichtgearbeitetes Stück, wie sie in Fremdenzimmern zu stehen pflegen; der Tischler hatte die Bretter der Hinterwand nur aufgenagelt, und die Nagelkuppen waren von dem Diebe mit dem Hohlbohrer freigelegt worden, so daß er zwei Bretter hatte wegnehmen können. Wir taten das auch, worauf das Innere des Schrankes vor uns lag, und nun sahen wir auch die halb vorstehenden Scharnierschrauben. Es war genauso, wie Winnetou gesagt hatte: In Ermangelung des Schlüssels hatte der Dieb den Kasten nicht vorn beim Schlosse, sondern hinten bei den Scharnieren geöffnet.
    „Das ist erstaunlich, geradezu erstaunlich!“ rief der Sheriff.
    „Wer hätte das gedacht!“

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