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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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also mit den bei ihm sitzenden Roten von unserer Gefangennahme; er war außerordentlich erfreut darüber, mich in seine Hände bekommen zu haben, doch ebenso erzürnt über das Entkommen Winnetous. Ich hörte, daß er die Schuld daran gern einem seiner Leute aufgebürdet hätte, was ihm aber nicht gelingen konnte, weil auf meinen Hilferuf alle zugleich aufgesprungen und über das Wasser gegangen waren, wodurch der Apatsche Zeit und Raum gewonnen hatte, sich von da drüben ganz unbeachtet zu entfernen. Waren jemandem Vorwürfe zu machen, so hatte Peteh sie selbst verdient, weil er es an der nötigen Umsicht hatte fehlen lassen. Und daß er sich dies sagen mußte, das schien seinen Ärger zu verdoppeln.
    Ich lauschte mit größter Aufmerksamkeit auf seine Reden, um vielleicht einige Worte darüber aufzufangen, was sie über uns beschlossen hatten oder jetzt beschließen würden. Das Glück war mir günstig. Der Häuptling wußte, daß Carpio und Rost unerfahrene Leute seien, und nahm also als gewiß an, daß sie die Sprache seines Stammes nicht verständen. Von mir wußte er zwar das Gegenteil, aber er glaubte, ich sei noch betäubt und höre also nicht, was gesprochen werde; darum hielt er es nicht für nötig, seine Stimme zu dämpfen, und so nahmen die andern an, ebenso laut sprechen zu dürfen. Erwähnen muß ich noch, daß man unsere Taschen geleert und alles, was drin gewesen war, vor den Häuptling hingelegt hatte. Einer der alten, erfahrenen Krieger, welche die Auszeichnung hatten, rechts und links von ihm zu sitzen, sprach seinen Grimm darüber aus, daß es Winnetou gelungen war, sich in den Besitz der drei berühmten und unvergleichlichen Gewehre zu setzen, ohne daß man ihn davon abgehalten hatte, und schloß hieran die Bemerkung:
    „Diese Gewehre sind kostbarer als der Besitz Old Shatterhands! Ich wollte lieber, er wäre auch entflohen und wir hätten sie dafür noch! Was wird Peteh mit den drei Gefangenen tun? Sollen sie getötet werden, ehe wir diesen Ort verlassen?“
    „Nein“, antwortete der Häuptling. „Wir nehmen sie mit, um sie den Kriegern der Upsarokas zu zeigen. Oder ist mein Bruder vielleicht anderer Meinung?“
    Die Crow- oder Krähenindianer nennen sich selbst nämlich Upsarokas.
    „Nein“, antwortete der Gefragte. „Aber was soll dann mit ihnen dort geschehen?“
    „Nichts.“
    „Nichts? Wir nehmen sie also wohl mit, wenn wir als Sieger über die Schoschonen heimkehren zu unserm Stamme?“
    „Old Shatterhand nehmen wir mit; die beiden andern Hunde taugen nichts, sie mögen bei den Upsarokas am Marterpfahle sterben.“
    „Werden aber die Upsarokas damit einverstanden sein, daß wir Old Shatterhand behalten?“
    „Meint mein Bruder, daß sie nicht damit einverstanden sein werden?“
    „Es ist möglich, daß sie ihn für sich nehmen wollen.“
    „Uff! Das dürfen sie nicht!“
    „Peteh, der tapfere Häuptling der Blutindianer, mag bedenken, daß jeder Gefangene, mag ihn gefangen genommen haben, wer es sei, als der Gefangene desjenigen Stammes gilt, auf dessen Boden er sich befindet!“
    „Das weiß ich; aber die Upsarokas werden sich trotzdem hüten, Old Shatterhand von mir zu verlangen, denn sie erwarten Hilfe von uns, die ich ihnen versagen würde, wenn sie eine solche Forderung an mich täten.“
    „Uff! Peteh darf nicht vergessen, daß sie gezwungen sind, diese Forderung auszusprechen. Es gibt Gesetze, welche man selbst unter den besten Freunden und Verbündeten aufrecht halten muß. Wenn die Upsarokas Old Shatterhand nicht von uns verlangten, wäre es eine Schande für sie. Der Gebrauch gebietet uns sogar, ihnen diese Bleichgesichter auszuliefern, ohne erst abzuwarten, daß sie es verlangen. Mein tapferer Bruder mag diesen meinen Worten nicht zürnen! Ich trage den Schnee des Alters auf meinem Haupte, über welches fast siebenmal zehn Winter dahingegangen sind. Die Erfahrung ist da, um gehört zu werden, und mein Mund darf nicht schweigen, wenn die Pflicht ihm gebietet, den Häuptling vor einem Schritte zu bewahren, welcher ihn mit den Kriegern der Upsarokas entzweien muß!“
    Es trat eine Pause ein, während welcher Peteh stumm vor sich niederblickte. Dann hob er den Kopf wieder und sagte:
    „Es erregt meinen Grimm, daß ich eingestehen muß, daß mein Bruder die Wahrheit gesprochen hat. Ich muß die Gefangenen entweder hier töten oder sie den Upsarokas übergeben. Aber soll ich etwa auf den Ruhm verzichten, mit Old Shatterhand in Fesseln bei ihnen angekommen zu

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