06 - Weihnacht
wir –“
„Was werdet ihr?“ unterbrach ihn Peteh mit donnernder Stimme. „Hältst du dich für den Mann, von welchem ich mir vorschreiben lasse, was ich zu tun habe? Glaubst du wirklich, daß ich einen Wert auf eure Meinung von mir lege? Ob solche räudigen Hunde mich für einen Lügner halten oder nicht, darüber lache ich. Die Bleichgesichter haben mehrere hundert Sonnen lang nichts anderes getan, als uns belogen und betrogen; wir aber sollen ehrlich sein? Wenn wir das tun, was wir von euch gesehen und gelernt haben, so gebt euch, aber nicht uns die Schuld! Es fällt mir gar nicht ein, euch glauben zu machen, daß ich mein Versprechen habe halten wollen; auch wenn der Apatsche nicht entkommen wäre, hätte ich euch nicht freigegeben. Habt ihr anders gedacht, so lacht euch selber aus!“
„Alle Teufel! Das ist ehrlich gesprochen! Nun wissen wir wenigstens, woran wir sind, nämlich daß wir betrogen worden sind!“
„Ja, betrogen worden!“ lachte er.
„Für den Dienst, den wir dir erwiesen haben!“
„Mir? Euch galt dieser Dienst, nicht mir! Ihr wolltet euch rächen, und ich sollte das Werkzeug dazu sein. Aber Peteh läßt sich nicht dazu mißbrauchen, der gehorsame Nigger eines Bleichgesichtes zu sein; er ist ein Bär, der sich zwar sehr gern füttern läßt, aber dabei den, der ihn füttert, auch mitfrißt.“
„Welch eine Schlechtigkeit!“
Corner sprach mit einer Kühnheit, welche einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Freilich war es nicht die echte Kühnheit, deren nur ein edler Mensch zu edlen Zwecken fähig ist, sondern die Aufregung darüber, daß er betrogen worden und in eine Falle gegangen war, daß er nun in derselben Grube lag, in welche er uns hatte stürzen wollen, ließ ihn die für seine Lage notwendige Vorsicht außer acht lassen und mit Ausdrücken um sich werfen, welche den Häuptling reizen mußten. Ich hatte ja auch nicht höflich mit ihm gesprochen, stand aber als ehrlicher Mann dem Anführer der Indianer in einer ganz anderen Lage gegenüber als Corner, den dieser als einen höchst verächtlichen Vertreter der weißen Rasse betrachtete und auch behandelte. Die Augen Petehs zogen sich drohend zusammen, und es klang nicht wie gesprochene Worte, sondern mehr wie ein Zischen, als er fragte:
„Wie – – wie hast du gesagt?“
„Es ist eine Schlechtigkeit!“ wiederholte Corner.
Im nächsten Augenblick stand der Häuptling bei ihm, stieß ihm den Fuß mit aller Gewalt in den Leib und rief:
„Den Lasso! Gebt ihm den Lasso! Augenblicklich! Er soll ihn so bekommen, bis das Blut an ihm herunterläuft. Blut will ich sehen, Blut!“
Er war außer sich vor Wut. Seine Gesichtszüge hatten sich verzerrt, und er stampfte immer weiter mit dem Fuße auf den unvorsichtigen Menschen ein; es sah ganz so aus, als ob er ihm die Eingeweide aus dem Leibe treten wolle. Corner stöhnte vor Schmerz und warf sich, um den Tritten zu entgehen, unaufhörlich auf und nieder. Das war falsch, denn da wurde er doch immer wieder gegen den Unterleib getroffen. Ich hatte ja auch die Ehre gehabt, einen Fußtritt zu bekommen, aber man muß für jede Angriffsart eine Parade haben: Sobald Peteh den Fuß zum Stoße erhob, hatte ich eine Wendung gemacht und infolgedessen den Tritt mit der Hüfte aufgefangen, in welcher sich, wie ich glaube, nicht so edle Teile wie im Vorderleib befinden. Corner aber drehte sich nicht, sondern schnellte sich in seinen Fesseln nur immer auf und ab, und so trafen ihn die Stöße stets nur an gefährlichen Stellen.
Dann wendete man ihn um, so daß er mit dem Rücken nach oben lag. Ein Roter kniete ihm auf den Nacken, und zwei hielten seine zusammengebundenen Beine; die Jacke und die Weste wurden ihm gelüftet und dann schlugen ein vierter und fünfter Indsman mit ihren zusammengeschlungenen Lassos aus Leibeskräften auf ihn los. Bei jedem Hieb ertönte ein Schrei des Getroffenen, und im weiteren Verlaufe der Züchtigung vereinigten sich die einzelnen Schreie zu einem Gebrüll, welches erst in ein tiefes Ächzen, dann in ein immer leiseres Wimmern überging und dann mit einem laut aufgeheulten Weheruf ein Ende nahm. Es klang, als ob in diesem Heulen die letzte Lebenskraft ihre Auflösung gefunden habe.
„Herrgott! Nun ist er tot; sie haben ihn erschlagen!“ seufzte Carpio neben mir.
Dies waren die ersten Worte, welche über seine Lippen kamen, seit wir Gefangene waren; er zitterte. Rost flüsterte mir zu:
„Der Häuptling hat ihm ganz gewiß verschiedene Brüche
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