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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bestimmt, die Gedankenlosigkeiten anderer Menschen auszutragen. Was sagst du zu dieser Idee? Ich glaube, ich habe das Richtige getroffen.“
    „Hm, ja! Nehmen wir also eine Zerstreutheit an!“
    „Gut! Es kann ja gar nichts anderes vorliegen als eine Gedankenverwirrung, die wir ordnen müssen. Die Indianer verwechseln uns!“
    „Mit wem?“
    „Das weiß ich freilich nicht. Wir haben ihnen nichts getan; sie verwechseln uns jedenfalls mit gewissen andern Personen, die sich in irgendeiner Weise an ihnen vergangen haben. Ich würde ihnen das sagen, es ihnen gern in aller Ruhe und ohne Aufregung erklären, aber sie verstehen mich nicht. Du aber sprichst ihre Sprache, wie ich vorhin gehört habe, und so kann es dir ja gar nicht schwer fallen, ihnen zu erklären, was für einen gewaltigen Pudel sie geschossen haben. Willst du das tun?“
    „Ja; ich will es versuchen.“
    „Versuchen? Von einem Versuche kann gar keine Rede sein; es handelt sich hier um eine offenbare, gar nicht abzuleugnende Konfusion, die sie sofort einsehen müssen, wenn du in der richtigen Weise mit ihnen sprichst. Du kannst dich darauf verlassen, wenn ich ihrer Sprache so mächtig wäre wie du, so würde es höchstens einige Minuten dauern, bis ich sie aus grimmigen Feinden, die sie jetzt sind, in die besten Freunde verwandelt hätte!“
    „Dieser Erfolg ist dir schon zuzutrauen, wenn auch nicht so schnell, lieber Carpio. Du hast gesehen und gehört, wie aufgeregt der Häuptling ist; jetzt ist gar nicht mit ihm zu sprechen.“
    „Gut, so warte bis morgen! Vielleicht ist er da ruhiger und für deine überzeugenden Auseinandersetzungen zugänglicher geworden.“
    „Wollen sehen! Jetzt fragt es sich vor allen Dingen, wie du diese Nacht überstehen wirst.“
    „Oh, gar nicht übel, denke ich. Die Riemen, mit denen man mich gebunden hat, drücken mich fast gar nicht, und weil ich sehr müde bin, denke ich, daß ich ganz hübsch schlafen werde.“
    „So versuche es gleich jetzt! Wollen eng zusammenrücken, daß wir einander wärmen.“
    „Ja, komm heran! Es sollte mir leid tun, wenn du frieren müßtest.“
    Armer, lieber Carpio! Der gute Kerl wollte mir die Wohltat erweisen, die ich ihm zugedacht hatte. Es dauerte auch gar nicht lange, so schlief er ein. Die Roten waren selbst auch müde und wickelten sich in ihre Decken ein, nachdem Peteh die Reihenfolge der Wachen bestimmt hatte. Zwei Mann, welche stündlich abgelöst wurden, mußten sich zu uns setzen, und die andere Gefangenengruppe bekam ebenso zwei Wächter. Es war mir sehr lieb, daß man uns in dieser Weise auseinanderhielt. Soviel ich beim Scheine des einzigen Feuers, welches die ganze Nacht hindurch unterhalten wurde, erkennen konnte, lag Corner bewegungslos. Daß er tot sei, bezweifelte ich, denn es war anzunehmen, daß sie einen für den Marterpfahl bestimmten Gefangenen nicht durch einen vorzeitigen Totschlag von diesem Schicksale befreit haben würden. Mehr konnte ich allerdings nicht wissen, weil wir zu entfernt von ihm lagen, als daß ich die Wirkung der Schläge auf ihn hätte beobachten können.
    Die Nacht war keine gute für mich. Ich hatte schon oft in Fesseln geschlafen, und hätte, wenn ich allein gewesen wäre, es wohl auch heut getan, obgleich man so vorsichtig gewesen war, grad mich so fest zu binden, daß mich die Riemen schmerzten; aber meine beiden Gefährten wachten immerwährend auf; die unnatürliche Lage der Hände auf dem Rücken weckte sie ebenso oft aus dem Schlafe wie die Kälte, welche sehr fühlbar war. Wenn der eine schlief, wachte der andere; ich hatte nur immer zu trösten und zu beruhigen, und da es mir nicht besser, sondern wegen der einschneidenden Fesseln schlimmer erging als ihnen und sie doch diejenigen waren, die uns in die Hände der Roten gebracht hatten, so gehörte einige Selbstbeherrschung dazu, nicht ungeduldig zu werden.
    Endlich, endlich dämmerte der Morgen, ohne daß ich ein Auge geschlossen hatte! Die Roten standen auf und hobbelten ihre Pferde los, um sie zu tränken; dabei verzehrten sie ihr Frühstück, welches aus getrocknetem Büffelfleisch bestand, mit dem sie für längere Zeit versehen waren, weil man während eines Kriegszuges sich nicht auf die Jagd verlassen darf. Wir bekamen auch davon; man gab uns aber nicht die Hände zum Essen frei, sondern steckte uns die Bissen wie Kindern, welche gefüttert werden, in den Mund.
    Carpio bestand jetzt darauf, daß ich mit dem Häuptling sprechen möge, um ihm die vermeintliche Verwechslung

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