06 - Weihnacht
sofort, sondern wendete sich nach Peteh um und richtete die Worte an ihn:
„Peteh, der Häuptling der Blutindianer, befindet sich im Lager der Upsaroka-Krieger; er hat mir, als er kam, gesagt, daß er Old Shatterhand bringe, um ihn uns als Gefangenen zu übergeben. Ist dies sein Wille auch noch jetzt?“
„Ja“, antwortete der Gefragte. Er beurteilte andere Menschen nach sich selbst und war wohl überzeugt, daß der Anführer der Upsarokas, wütend über den ihm von mir gespielten Streich mich nun mit doppelter Strenge behandeln werde. Darum fügte er hinzu: „Er sei euer, damit die Versammlung der Häuptlinge und alten Krieger über die Art seines Todes entscheiden möge!“
Nun wendete sich Yakonpi-Topa mir wieder zu und gab mir die Antwort:
„Ja, Old Shatterhand hat bewiesen, daß er frei sein kann, wenn er will. Wir hätten ihn nicht eingeholt, denn sein Pferd kann nur von dem Hengste Winnetous, des Häuptlings der Apatschen, erreicht werden. Die Riemen wären auch kein Hindernis für ihn gewesen, denn ein Krieger, wie er ist, weiß, wie er sich ihrer entledigt, wenn niemand da ist, der ihn hindert. Hat Old Shatterhand gehört, daß er uns übergeben worden ist?“
„Ja. Aber wer wagt es, mich für einen Gegenstand zu halten, den man geben und nehmen kann, wie man ein Geschenk gibt oder nimmt?!“
„Old Shatterhand mag nicht zürnen, sondern hören, was ich sage! Er wurde gefangen von hundert Feinden und her zu uns gebracht. Hier fand er sechsmal hundert Krieger und hat sich jedes ihrer Gesichter angeschaut. Sein Auge ist offen, und sein Mund spricht wahr; er ist stark wie der Bär, den er von vorn angreift; er ist aufrichtig wie die Blume, die ihren Kelch nicht verschließt; aber er ist auch klug wie sonst kein Bleichgesicht und wird nicht von mir verlangen, was ich ihm nicht geben kann. Er hat einen kühnen Ritt getan und alle hier versammelten Krieger mit Erstaunen erfüllt. Er hätte sich retten können, ist aber freiwillig zurückgekehrt, weil er weiß, daß die Söhne der Upsarokas mutige Taten anerkennen und einen ehrlichen Feind von einem tückischen zu unterscheiden wissen. Sein Vertrauen zu uns soll nicht getäuscht werden. Er hat gehört, daß die Versammlung über ihn entscheiden wird. Bis dahin sollte er eigentlich den Wächtern gefesselt übergeben werden. Aber wenn er verspricht, bis zur Versammlung dieses Lager ohne meinen Willen nicht zu verlassen und nichts zu tun, was ich verbieten müßte, so nehme ich ihm jetzt die Fesseln ab, und er darf in der Hütte wohnen, welche ich ihm anweisen werde.“
Das war ja mehr, viel mehr, als ich für einstweilen erwartet hatte! Ich zögerte darum nicht, zu antworten:
„Yakonpi-Topa, der große Häuptling der Kikatsa, ist ein tapfrer Krieger, ein weiser Vater seines Volkes und ein gerechter Richter aller Angeschuldigten. Ich bin stolz darauf, in seiner Nähe und in seinem Lager weilen zu dürfen; aber er mag mir einige Fragen beantworten!“
„Old Shatterhand mag sie aussprechen!“
„Darf ich, wenn ich mich ohne Fesseln bewege, mit den beiden jungen Bleichgesichtern sprechen, welche mit mir von hinten überfallen worden sind?“
„Ja.“
„Muß ich bei der Versammlung wieder gefangen und gefesselt sein?“
„Ja.“
„Gilt das Wort, welches ich geben soll, auch über den Tag der Versammlung hinaus, sie mag beschließen, was sie will?“
„Nein.“
„So höre, was ich sage! Ich verspreche, bis zum Spruch der Versammlung das Lager nicht zu verlassen und auch nichts zu tun, was du mißbilligen würdest. Ich werde mich bei der Beratung wieder binden lassen. Mehr aber verspreche ich nicht. Wenn die Krieger und Ältesten nicht entscheiden, daß mir und den beiden Bleichgesichtern die Freiheit wiedergegeben wird samt allen Gegenständen, welche man uns genommen hat, so werde ich alles, selbst mein Leben, daransetzen, mich und sie zu befreien. Ja, ich werde dann keinen Upsaroka schonen, sondern ihn, wenn er mir im Wege steht, töten, falls er mich dazu zwingt. Ich habe gesprochen. Howgh!“
Das Wort Howgh ist eine Bekräftigung des Gesprochenen, etwa wie unser Basta, Sela, Amen; es bedeutet soviel wie: abgemacht; fertig!
„Old Shatterhand hat gesprochen wie ein Mann“, antwortete der Häuptling. „Grad die nachfolgende Drohung gibt uns die Sicherheit, daß er das Vorhergesagte halten wird. Er ist ohne Arg und Falsch; er soll ungefesselt sein!“
Er stieg vom Pferde, um mir mit eigener Hand die Riemen abzunehmen. Da aber drängte
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