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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich Peteh herbei und rief:
    „Warum werde ich, der Häuptling der Blutindianer, nicht auch gefragt? Dieses Bleichgesicht ist der Todfeind meines Stammes. Ich habe ihn euch übergeben, damit er euer Gefangener sei, und du gibst ihn jetzt frei?“
    „Mein Bruder Peteh erzürne sich nicht überflüssig!“ entgegnete Yakonpi-Topa. „Du hast deinen Willen, und ich habe den meinigen: Du, weil Old Shatterhand gefangen bleibt, und ich, weil er nun nicht mit Riemen, sondern durch sein Wort gefesselt ist. Am Tage der Versammlung werden wir ihm die Riemen wieder umlegen.“
    „Er wird sein Wort nicht halten!“
    „Er hält es!“
    „Uff! Es falle alles auf dich!“
    Der Häuptling der Kikatsa band mich los, und ich stieg vom Pferde. Diesen Anblick konnte Peteh nicht ertragen; er ballte die Fäuste, warf sie drohend empor und rief:
    „Wenn dieser Hund es nur ein einziges Mal wagt, mir im Lager zu begegnen, so schieße ich ihn nieder!“
    Ich würdigte ihn keines Blickes, wendete mich aber an Yakonpi-Topa, hielt ihm meine Hand hin und fragte:
    „Hat der Häuptling der Kikatsa jemals etwas über diese Hand gehört?“
    „Ja“, antwortete er.
    „Was?“
    „Diese Faust tötete selbst den stärksten Krieger mit einem Schlage.“
    „Man hat dir die Wahrheit gesagt. Meine Waffen sind mir genommen worden, aber diese Faust hat man mir lassen müssen. Und nun hört, ihr tapfern Krieger der Upsarokas alle: Ich habe jetzt das Wort Hund hören müssen; auch wurde mir mit Niederschießen gedroht. Der Mund, aus welchem ich dieses Wort oder ein ähnliches nochmals höre, öffnet sich für dieses Leben niemals wieder. Und der Mensch, welcher, solange ich mich hier befinde, ohne Erlaubnis des Häuptlings der Kikatsa eine Waffe gegen mich erhebt, hat sie zum letztenmal im Leben in der Hand gehabt. Ich schlage ihn nieder, daß er wie ein Stein zu Boden fällt und da für immer liegen bleibt! Ich habe abermals gesprochen. Howgh!“
    Es herrschte tiefe Stille rundumher; darum mußte es jedes von den zwölfhundert Ohren hören, als Peteh jetzt ein höhnisches Gelächter ausstieß und mir zurief:
    „Meinst du, daß ich mich vor deiner Hand fürchte? Erheb sie doch einmal gegen mich, wenn ich dich jetzt zu Boden reite!“
    Es war ihm wirklich Ernst mit dieser Drohung. Um sie auszuführen, spornte er sein Pferd so schnell auf mich an, daß ich kaum Zeit fand, zur Seite zu springen. Im nächsten Augenblicke aber hatte das Tier meinen Zeige- und Mittelfinger in den Nüstern; sie so weit wie möglich hineinschiebend, griff ich fest zu; ein rascher Schritt zur Seite, so daß ich neben dem Hals zu stehen kam – ein kurzer Druck des Maules nach oben, dann ein scharfer, kräftiger Riß nach hinten, den ich mit einem Griff der andern Hand in die Mähne unterstütze – das Pferd brach hinten zusammen; noch ein Ruck, und es lag auch vorn auf der Erde; der Blutindianer flog aus dem Sattel und bekam meine Faust an den Kopf, daß er liegen blieb, während das Pferd sich aufraffte und dann zitternd und vor Angst schnaubend bei ihm stand.
    „Uff, uff, uff, uff!“ ertönten rings die Rufe der verwunderten Roten.
    „Uff, uff!“ rief auch Yakonpi-Topa. „Er ist tot?“
    „Nein, denn er wollte mich nur niederreiten; nun liegt er selber da; er wird wieder zu sich finden. Hätte er aber ein beleidigendes Wort gesagt oder nach einer Waffe gegriffen, so wäre er jetzt tot. Ich halte Wort!“
    „Uff! Ein Pferd so niederzuwerfen, das sah man hier noch nie! Uff, uff!“
    „Pshaw! Das kann ein jeder tun. Es gehört mehr Geschicklichkeit als Kraft dazu. Wenn du willst, so werde ich's dich lehren.“
    „Ich muß dies lernen; ja! Was wollen diese Krieger hier?“
    Er richtete diese Frage an die Blutindianer, welche sich herbeidrängten und Drohungen gegen mich ausstießen.
    „Er hat sich an Peteh, unserm Häuptling, vergriffen; das fordert Blut; er muß sterben!“ rief der Alte, der am Fleischwasser neben dem Anführer gesessen hatte.
    „Weicht zurück!“ gebot der Kikatsa. „Old Shatterhand steht unter meinem und meiner Krieger Schutz. Wollt ihr uns zwingen, gegen euch zu unsern Waffen zu greifen? Sollen Verbündete sich morden, weil euer Häuptling vergessen hat, daß hier in diesem Lager nur ich allein zu befehlen habe!“
    „So können wir nicht im Lager der Upsarokas wohnen, sondern werden uns ein eigenes errichten! Wir dürfen nur einem Häuptling unseres Stammes gehorchen!“
    „Mein Bruder hat klug gesprochen“, antwortete Yakonpi-Topa.

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