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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er mit dem Leben davonkommen. Wann hat er zum letztenmal mit dieser Waffe gefochten? Ist es lange her?“
    „Ja.“
    „So mag er schnell, ohne daß jemand es sieht, eine Probe machen!“
    „Wo?“
    „Er mag sein Pferd nehmen und mit mir kommen!“
    Yakonpi-Topa holte die beiden Tomahawks, und dann ritten wir aus dem Lager fort, durch den Wald und dann nach dem freien Wiesenstreifen, den ich von meinem Parforceritte her kannte. Dort stiegen wir ab. Der Pferde hatten wir uns bedient, weil es schnell gehen mußte, denn wir hatten nur wenig Zeit übrig. Ich nahm einen Baum als Ziel und warf erst einigemal auf gewöhnliche Weise; es gelang aber so, daß der Häuptling ausrief:
    „Uff! Besser kann ja ich es nicht! Old Shatterhand kann sich mit dem Tomahawk vor jedem roten Krieger sehen lassen!“
    „Pshaw! Das war bis jetzt keine Kunst. Jetzt aber will ich dir zeigen, wie ich Peteh täuschen und treffen werde. Ich werfe die Tomahawks so schnell hintereinander, daß nur ein Augenblick dazwischenliegt; er wird zur Seite springen, um dem ersten auszuweichen, und grad dadurch dem zweiten in die Schärfe rennen.“
    „Und wenn er aber auf die andere Seite ausweicht?“
    „Das tut er nicht, denn ich werfe nicht hohen, sondern Seitenbogen; dadurch wird er getäuscht und wendet sich nach der Seite, nach welcher ich ihn haben will. Außerdem werde ich auch noch auf andere Weise versuchen, ihn nach dieser Seite zu zwingen.“
    „Wie?“
    „Es stehen Bäume auf dem Kampfplatze. Wie groß soll der Abstand zwischen uns im Fernkampf sein?“
    „Sechzig Schritte.“
    „So werde ich mich sechzig Schritte weit von einem dieser Bäume aufstellen, so daß Peteh neben ihm zu stehen kommt. Er kann also nicht nach der Seite, wo der Baum steht, sondern nur nach der andern ausweichen.“
    „Uff, das ist klug!“
    „Und nun paß auf! Diese Lichtung ist hier gegen siebzig Schritte breit; drüben stehen zwei Ahorne fünf Schritte weit nebeneinander. Ich will sie beide treffen, und zwar in der Höhe, wie Petehs Schultern liegen. Jetzt!“
    Als der Häuptling vom ‚im krummen Bogen werfen‘ sprach, meinte er den Effektwurf, welcher große Übung und Geschicklichkeit erfordert. Man gibt dem Tomahawk durch Drehung mit der Hand den betreffenden Effekt, wie man beim Kegelschieben eine Bogenkugel dreht; er bekommt dadurch eine doppelte Bewegung, eine Vorwärts- und eine Seitenbewegung, welche beide genau nach dem Ziele abzupassen sind. Wie man es fertig bringt, daß er sich unterwegs nach Belieben hebt und wieder senkt oder gar nach Bumerangart eine retrograde Richtung nimmt, das kann man nur zeigen, aber leider nicht beschreiben.
    Die beiden Tomahawks flogen schnell nacheinander aus meiner Hand und blieben drüben in den Ahornen stecken.
    „Uff!“ rief der Häuptling, als wir hinüberkamen, um sie herauszuziehen. „Wenn Peteh hier gestanden hätte, wäre er ganz gewiß getroffen worden! Old Shatterhand wirft viel, viel besser, als ich es kann. Er wird jetzt heimlich über mich lachen, daß ich geglaubt habe, er verstehe sich auf den Tomahawk nicht so gut wie der Häuptling der Blutindianer! Will er es noch einmal versuchen?“
    „Nein; es ist nicht nötig, und wir haben auch keine Zeit, länger hier zu bleiben. Ich glaube, man wird schon auf uns warten.“
    Wir ritten zurück und sahen, daß allerdings schon fast das ganze Lager leer geworden war. Die Roten hatten sich nach dem Kampfplatze begeben, und wer sich noch nicht dort befand, der war wenigstens schon unterwegs. Ich band mein Pferd an und holte Carpio und Rost, welche dabei sein mußten, doch sagte ich ihnen nichts davon, daß sie, falls ich besiegt würde, den Kampf fortzusetzen hatten.
    Die Roten hatten einen weiten Kreis um den Baum gebildet; die alten Mitglieder der Beratung saßen in der Mitte dieses Ringes. Wir setzten uns zu ihnen. Peteh war noch nicht da. Gesprochen wurde bei uns nicht, denn das wäre nicht schicklich gewesen. Aber die gewöhnlichen Krieger unterhielten sich um so lebhafter miteinander. Ihre Spannung konnte kaum größer werden, als sie war.
    Endlich kam Peteh als der letzte von allen. Er setzte sich gar nicht erst nieder, sondern warf den Jagdrock und das Jagdhemd ab, so daß sein Oberkörper und die Arme vollständig entblößt waren, und hielt eine lange Posaunenrede über seine Körperstärke, Geschicklichkeit und seine Heldentaten, welche darauf berechnet war, mir Angst zu machen. Allerdings, wenn man diese kolossale Brust und diese massigen Arme

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