06 - Weihnacht
sah, hätte es einem wirklich bange werden mögen, mir aber nicht!
Meine Gefährten verstanden kein Wort von dieser Rede. Carpio fragte mich leise und besorgt:
„Mit diesem Riesen sollst du kämpfen?“
Ich nickte.
„Höre, der zerquetscht dich doch, wie man einen faulen Apfel zerdrückt!“
Ich schüttelte den Kopf und winkte ihm, zu schweigen.
Als Peteh seinen Speech beendet hatte, erwartete man von mir auch eine Rede nach Indianerart. Ich stand auf und sagte:
„Ich bin bereit. Wie lange soll gekämpft werden?“
„Bis einer von beiden ganz tot ist oder liegenbleiben würde, wenn er nicht an den Baum gebunden wäre“, antwortete Yakonpi-Topa.
„So ist es gar nicht nötig, daß ich mich auch erst entkleide. Der Kampf wird beendet sein, noch ehe er recht angefangen hat. Bindet uns an!“
„Nein“, rief Peteh. „Dieser weiße Hund will die Kleider anbehalten, um von ihnen beschützt zu sein. Er muß sie auch ablegen!“
Natürlich mußte ich es nun tun. Dann stellten wir uns zu beiden Seiten des Baumes auf, die Gesichter gegeneinander gerichtet, und hoben die Arme, um die Riemen unter ihnen hindurchziehen zu lassen. Peteh blitzte mich dabei mit wütenden Augen an; ich beachtete es nicht. Da spuckte er auf mich; ich wendete aber den Kopf, so daß er mich nicht traf. Als wir festhingen, traten die Roten, welche uns angebunden hatten, zurück. Aller Augen waren auf uns gerichtet. Wir durften uns nun nicht eher bewegen, als bis der Häuptling der Kikatsa das Zeichen dazu gab.
Peteh wartete mit größter Ungeduld darauf; ich machte ein sehr gleichgültiges Gesicht. Es war mit größter Sicherheit zu erwarten, daß er beabsichtige, mir keine Zeit zu lassen, meine Arme zu erheben, sondern die seinigen sofort herüberwerfen und um mich schlingen werde. Ich legte den rechten Daumen als federndes Glied in die Faust und wartete.
Da ertönte der Ruf Yakonpi-Topas, und was ich erwartet hatte, das geschah: Peteh hob blitzschnell die Arme; aber ebenso schnell bekam er von mir einen von unten herauf geführten Hieb in die linke Achselhöhle, die ohne Deckung war. Sein Arm sank steif herab, und im nächsten Augenblicke flog ihm meine Faust an die Schläfe, daß ihm der Kopf auf die rechte Schulter fiel. Ich hörte einen kurzen, pfeifenden Atemzug; die Augäpfel verdrehten sich im Krampfe; dann sanken die Lider herab.
„Ich bin fertig, bindet uns los!“ rief ich in befehlendem Tone.
Es herrschte tiefe Stille ringsumher; kein einziger Ruf, kein Laut war zu hören. Die Schnelligkeit, mit welcher dieser erste Gang beendet worden war, hatte alle verblüfft. Der Häuptling der Kikatsa stand auf, kam herbei und untersuchte Peteh.
„Uff!“ rief er dann aus. „Die Faust Old Shatterhands fällt wie ein Fels vom Berge nieder. Der Häuptling der Blutindianer ist tot. Nehmt beiden die Riemen ab!“
„Er ist nicht tot“, entgegnete ich. „Hätte ich ihn erschlagen, müßte ich mit gewöhnlichen Blutindianern weiterkämpfen; da aber Old Shatterhand sich nur mit Häuptlingen messen darf, habe ich ihn bloß betäubt und nicht erschlagen. Ist die Bedingung dieses Kampfes erfüllt?“
Als die Riemen weggenommen wurden, fiel Peteh wie ein Sack zu Boden; darum antwortete der Häuptling der Kikatsa:
„Ja, sie ist erfüllt, denn Peteh liegt hier und kann sich nicht bewegen. Old Shatterhand hat gesiegt!“
„Uff, uff, uff!“ klang es aus fünfhundert Kehlen; die Blutindianer aber standen stumm. Ich ging an meinen Platz zurück und setzte mich dort nieder.
„Gott sei Dank, daß es glücklich vorüber ist!“ sagte Rost. „Ich habe eine Riesenangst ausgestanden!“
„Ich nicht!“ lachte ich.
„Wirklich nicht? Wirklich? Dieser Mensch hat ja Arme wie Elefantenbeine! Als Sie mit ihm zusammengebunden wurden, Mylord, sagte mir meine innere Stimme, daß wir Sie hier begraben würden. Ist es denn wirklich möglich, daß in Ihrer kleinen Hand ein so fürchterlicher Hieb stecken kann?!“
„Diese Kraft hatte er schon früher“, erklärte Carpio; „er zeigte sie aber nur selten einem Menschen. Wird weitergekämpft?“
„Ja, mit Tomahawks“, antwortete ich.
„Kannst du das?“
„Ja. Du brauchst keine Sorge zu haben.“
„Ich habe auch wirklich keine um dich, gar keine. Wenn du deine Gedanken zusammennimmst und keine Kopflosigkeit begehst, wird alles gut. Hüte dich nur vor Zerstreutheiten und Verwechslungen!“
Die gute Meinung, welche er von mir hatte, war wirklich rührend. Es war ihm gar nicht bewußt, was
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