Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
war, durften sie auch nicht gefesselt sein. Sie wollten natürlich alles ganz genau wissen; ich teilte ihnen aber nur soviel mit, wie ich sagen konnte, ohne sie zu beunruhigen.
    Der Vormittag und auch der Mittag verging, ohne daß der Häuptling sich sehen ließ. Wir spazierten, um uns die Zeit zu vertreiben, im Lager umher und wurden überall wohl aufgenommen. Man ließ mit Absicht so laut, daß wir sie hören mußten, Worte und Redensarten über die Blutindianer fallen, welche uns überzeugen sollten, daß die Sympathie der Krähen auf unserer Seite sei. Es bedarf wohl keiner Versicherung, daß alle Gedanken auf den zu erwartenden Kampf gerichtet waren. Es herrschte seinetwegen eine mehr als ungewöhnliche Aufregung im Lager.
    Der Indianer pflegt den Kampf als Übung und im Spiel; er muß sich auf den Fall des Ernstes vorbereiten, um dann, wenn es gilt, bestehen zu können. Der rote Krieger ist um so angesehener und geachteter, je mehr Feinde er besiegt hat; sogar sein Himmel bietet ihm nicht ewigen Frieden, sondern steten Kampf und Sieg. Wenn zwei unerwachsene Knaben miteinander ringen, stehen die Alten dabei, um sie anzufeuern. Es kommt im Kriege zwischen zwei Stämmen nicht selten vor, daß alle, Freunde und Feinde, für einige Zeit die Waffen sinken lassen und friedlich nebeneinander stehen, um den Einzelkampf zweier hervorragender Krieger, welche zusammengeraten sind, zu beobachten. Der Ausgang desselben wird noch nach Jahren mit einem Eifer und einer Sachkenntnis besprochen, als ob die Tat erst gestern geschehen sei. Und nun denke man sich ein Sti-i-poka zwischen Peteh und Old Shatterhand, einen Kampf auf Leben und Tod zwischen dem büffelstarken, noch nie besiegten Häuptling der Blutindianer und dem weißen Jäger Shatterhand, von dem auch noch kein Gegner hatte sagen können, daß er ihm überlegen gewesen sei! Man wendete die Chancen so fleißig und bedächtig hin und her, man wog sie so sorgfältig ab, als ob es sich dabei um das Leben aller Upsarokas handele. Auf der Seite Petehs war die rohe, ungefüge Körperkraft, die Wucht des Angriffes und die voraussichtliche Überlegenheit in der Ausdauer; denn Muskeln und Sehnen, wie er besaß, konnten stundenlang angestrengt werden, ohne zu ermatten. Auf meiner Seite glaubte man die größere Gewandtheit, Erfahrung und Übung betonen zu müssen, die Umsicht, die jeden Griff berechnet, und die Geistesgegenwart, die jeden sich bietenden Vorteil blitzschnell zu erfassen weiß. Ihm standen, kurz gesagt, die physischen Vorteile, mir die größere Intelligenz zur Verfügung; so dachte man. Wer da obsiegen und wer unterliegen werde, das war gar nicht vorauszusagen. Da die Krähen mir den Sieg wünschten, so bedauerten sie lebhaft, daß Peteh die Waffen und die Art und Weise des Kampfes anzugeben hatte; es verstand sich ja von selbst, daß er nur zu seinem eigenen Nutzen wählen und bestimmen werde. Man meinte, ich sei, wenn auch zehnmal Old Shatterhand, doch immer nur ein Bleichgesicht und könne in der Führung indianischer Waffen und in der Kampfesweise der Roten nicht so bewandert sein, wie ein Indsman, dem Pfeile, Messer und Tomahawk förmlich zu Händen und Fingern geworden sind.
    Diese Betrachtungen hatten eine Spannung zur Folge, welche immer größer wurde und um so peinlicher war, je länger es dauerte, bis Peteh sich herbeiließ, seine Bestimmungen laut werden zu lassen. Was mich persönlich betrifft, so stimmte ich im stillen teils den angegebenen Meinungen bei, teils aber auch nicht. In der Führung indianischer Waffen war Winnetou mein Lehrmeister gewesen; mehr brauche ich nicht zu sagen. Er hatte mir bisher stets ein gutes Zeugnis gegeben, und so fiel es mir gar nicht ein, mich vor irgendeinem Indianer zu fürchten. Auch kommt es nicht auf die Masse der Muskeln an, oder deutlicher gesagt, wie groß die Muskelklumpen sind, sondern auf ihre Übung, Stählung und Härtung. Ein gut trainierter Körper, dessen Muskelsystem sorgfältig geübt und harmonisch ausgebildet wurde, ist auf alle Fälle zuverlässiger, als ein Gebäude von wenn auch noch so kräftigen Fleischteilen, welche entweder gar nicht oder nicht richtig geschult worden sind. Ein hagerer Mann wirft oft einen scheinbaren Herkules zu Boden. Und es gibt andere, wichtige Körperteile, wie z.B. das Herz, die Lungen, auf deren Leistungen selbst Löwen- oder Bärenmuskeln sehr mit angewiesen sind. Von den Sehnen und Knochen will ich gar nicht sprechen; sie gehören aber auch dazu. Der Hauptvorteil,

Weitere Kostenlose Bücher