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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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natürlichen Kamins in die Höhe zog. Dann bereiteten wir unserm Carpio ein warmes Lager. Die Fahrt hatte ihn sehr angegriffen, obgleich er dabei gar nicht angestrengt worden war.
    Es hatte während der letzten Stunden nicht mehr geschneit, und so war unsere Fährte also nicht zugedeckt worden; sie lag so offen und deutlich da, daß ein Dreiviertelblinder, wenn er auf sie stieß, durch sie her zu uns geführt werden mußte. Es galt also, wenigstens bis zum nächsten Schnee alles zu vermeiden, wodurch unsere Wohnung hier verraten werden konnte. Wir nahmen den Schlitten auseinander und schafften seine Teile herein, um sie zum Feuerholz zu werfen. Dann galt es, uns über die beiden Elks zu machen. Der eine war ein kapitaler Kerl, über zwei Meter lang und am Widerrist ebenso hoch; man mußte ihn über vierhundert Kilogramm schätzen. Der andere war kleiner. Es war ganz unmöglich, mit ihnen bis zum Abend fertig zu werden und dann die Reste zu verbergen. Wir schafften also, soviel wir konnten, herab in den Vorratsraum und ließen das übrige notgedrungen für morgen liegen.
    Kurz ehe es ganz dunkel wurde, stieg Winnetou auf die Höhe, von welcher wir herabgekommen waren, um einen Rückwärtsblick auf unsere Spuren zu werfen. Als er wiederkam, meldete er:
    „Die Bleichgesichter sind da. Sie lagern jenseits am Fuße des Berges und haben, um sich zu erwärmen, ein großes Feuer brennen. Heut ist es ihnen zu spät geworden; morgen aber werden sie gewiß nach dem Wasser kommen.“
    Da waren ja unsere Erwartungen – Befürchtungen kann ich nicht sagen – eingetroffen, und zwar voraussichtlich nicht zu unserm Schaden! Denn wenn wir diese Leute bis jetzt schonend behandelt hatten, so konnte jetzt ein feindseliges Verhalten ihrerseits nur die Folge haben, daß wir unsere Milde fallen ließen. Wer aber waren sie? Corner mit seinen Leuten? Welley, Hiller und Reiter? Oder hatten beide Parteien sich getroffen und zum Angriff gegen uns vereinigt? Das mußte sich morgen zeigen. Für uns brauchten wir keine Sorge zu haben, denn wir waren nach allen Seiten gegen Angriffe gedeckt und konnten eine lange Belagerung aushalten, weil wir mit Lebensmitteln versehen waren. Wasser hatten wir auch, denn von dem uns sehr nahen Ufer des Sees führte ein schmaler, aber tiefer, grabenähnlicher Arm fast bis zum Eingange unsers Versteckes her. Ihn uns abzudämmen, war unmöglich, und falls man versuchen würde, es zu tun, war es für uns ein Kinderspiel, diesen Versuch mit unsern Kugeln zu vereiteln.
    Übrigens befanden wir uns schon heute nicht allein am Pa-ware; wir hatten Besuch, und zwar sehr interessanten. Winnetou ging nämlich am Abende einmal hinaus, Umschau zu halten, und sagte uns, als er zurückkehrte, daß er ein lautes Krachen zerbissener Knochen gehört habe; es seien jedenfalls Bären bei den Überresten der Elentiere. Wir hätten uns gar zu gern an sie geschlichen, aber dies wäre unter den jetzigen Verhältnissen ein großer Fehler gewesen, weil die Grizzlys leicht zu unsern Verbündeten werden konnten.
    Später, als wir uns zum Schlafen niederlegen wollten, hörten wir es draußen schnüffeln und scharren; der Fellvorhang hob sich, und an seiner untern Kante erschien ein Grizzlykopf. Der Bär war mit der Nase auf unsere Spuren gekommen und von ihnen herbeigeführt worden. Als er das hell brennende Feuer so nahe vor sich sah, zog er sich schnell zurück. Es war ein alter, sehr starker Kerl; hätte er sich nicht soeben sattgefressen, sondern Hunger gehabt, so wäre er wohl nicht so rasch verschwunden. Er war weg, ehe wir ein Gewehr auf ihn richten konnten.
    Wir schliefen in dieser Nacht wie Prinzen, am tiefsten und längsten Carpio, dessen Müdigkeit natürlich eine krankhafte war. Als wir früh vorsichtig hinaus ins Freie blickten, sahen wir, daß unsere Gegner eher wach gewesen waren als wir; sie befanden sich schon hier am ‚warmen Wasser‘ und schlichen überall umher, uns zu suchen. Unsere Spuren hätte ein Winnetou sofort gefunden; diese Leute aber waren keine Winnetous; sie kamen wiederholt an unserm Verstecke vorüber, ohne zu ahnen, wie nahe sie uns waren. Die Überreste der Elke entdeckten sie natürlich auch; sie sahen die zersplitterten Knochen und nahmen an, daß das Wild von dem Bären geschlagen worden sei. Da es keinen andern Weg als den, auf welchem wir gekommen waren, aus dem Kratertale gab, so konnten sie sich unser vollständiges Verschwinden nicht erklären; aber aus ihren lauten Zurufen war zu schließen,

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