06 - Weihnacht
überrumpelt. Das wurde uns denn doch zu gefährlich, und wir beschlossen, uns zu trennen, um sie irrezuführen. Wir warfen das Los zwischen uns, welches so entschied, daß Welley den Platte hinabfuhr, während für mich der Landweg blieb.“
„Und die andern?“
„Welche andern?“
„Ihr sagtet doch, daß außer Welley noch einige andere unternehmende Männer bei Euch gewesen seien.“
„Ja, richtig! Ich habe vergessen, zu erwähnen, daß wir uns von diesen losmachten, als wir, ohne daß sie dies ahnten, das Placer am Stihi-Creek entdeckt hatten. Pfiffig muß man sein! Es fiel uns gar nicht ein, mit ihnen zu teilen!“
„Habt Ihr, als Ihr dann allein waret, die Verfolger wieder bemerkt?“
„No!“
„Hattet Ihr mit Welley eine Zeit und einen Ort festgesetzt, wo Ihr Euch wieder treffen wolltet?“
„Yes, hier in Weston in diesem Hotel.“
„Hm! Ihr sagtet, daß die vier Männer Euch am Sweetwater beinahe des Nachts überrumpelt hätten. Wie ging das zu?“
„Wir rochen ihr Lagerfeuer und schlichen uns hin. Wir sahen nur zwei von ihnen, aber die Gewehre der beiden andern lagen auch da. Das war genug für uns.“
„Ihr hattet auch ein Feuer?“
„Natürlich! Die Nächte da oben sind kühl, und wir brauchten es auch, um unser Fleisch zu braten.“
„Wann und wo habt Ihr dann gelost?“
„Eben an diesem unserm Feuer, gleich nachdem wir sie entdeckt hatten.“
„Wann seid Ihr von dort fort?“
„Als der Tag graute.“
„Ihr sagtet, daß Welley mehr Gold als Ihr bei sich gehabt habe. Warum das? Hattet Ihr nicht geteilt?“
„Welche Frage! Man merkt es, daß Ihr ein Garnichts seid! Welley ging auf einem Floße den Platte hinab, und ein Floß trägt doch mehr, als ein Pferd tragen kann. Das wenigstens solltet Ihr doch wissen! Ich wiege anderthalb Zentner, und meine Nuggets sind einen halben Zentner schwer; stellt Euch da vor, was mein Pferd zu schleppen hatte. Ich möchte fast sagen, daß ich geschlichen anstatt geritten bin, so langsam kamen wir fort.“
„Wie lange habt Ihr vom oberen Platte bis hierher gebraucht?“
„Fast vier Wochen.“
„Habt Ihr die Nuggets schon verkauft?“
„Nein; damit muß ich warten, bis Welley kommt; da tun wir die beiden Lasten zusammen und schaffen sie nach St. Louis.“
„So habt Ihr das Gold etwa gar hier im Hotel?“
„Natürlich! Wo sollte ich es sonst haben? Aber erst hattet Ihr nur ein Yes oder ein No, und jetzt fragt Ihr mich so ausführlich aus. Habt Ihr einen Grund dazu?“
„Yes.“
„Welchen, Mr. Meier?“
„Ihr scheint Euch darüber zu wundern, ich aber bin der Ansicht, daß ein ‚reiner Garnichts‘ auch einmal Gründe haben kann.“
„Ja, aber was für welche! Gefällt Euch vielleicht etwas von dem, was ich erzählt habe, nicht?“
„Es gefällt mir mehreres nicht; ich will aber nicht viele Worte machen, sondern Euch kurz heraus folgendes sagen: Ihr wartet vergeblich auf Euren Kumpan Welley, denn er ist ermordet und beraubt worden, und wenn Ihr Euch nicht bald von hier weg aus dem Staube macht und gegen andere ebenso mitteilsam seid wie gegen mich, wird es Euch wahrscheinlich ähnlich ergehen wie ihm.“
Er warf den Kopf zurück, sah mich mit halb zusammengekniffenen Augen ungefähr so an, wie ein Kasernenhofblütentreiber einen dummen Rekruten, der ihm eine alberne Antwort gegeben hat, betrachtet, und fragte dann in höchst überlegenem Tone von oben herab:
„Wie war das? Was habt Ihr gesagt? Habe ich richtig verstanden? Ermordet – – ausgeraubt –?!“
„Ja, so habe ich gesagt; Ihr habt nicht falsch gehört, Mr. Watter.“
„Bei Euch ist wohl da oben, wo andere Menschen das Gehirn haben, der Kopf mit Luft gefüllt?“
„Weiß nicht; habe noch nicht hineingeguckt.“
„Ich glaube sogar an eine so vollständige Leere, daß nicht einmal Luft drin ist! Wie ist es nur möglich, auf einen so unbeschreiblich verrückten Gedanken zu kommen! Ihr seht doch sonst so ziemlich vernünftig aus! Oder habt Ihr Euch nur einen dummen Spruch erlaubt? Das würde ich mir verbitten!“
„Wenn hier überhaupt vom ‚Verbitten‘ die Rede sein soll, so bin ich es, der es sich verbittet, als hirnlos und verrückt bezeichnet zu werden, Mr. Watter! Grad diejenigen Menschen, welche ‚in der Tinte sitzen‘, wie Ihr Euch auszudrücken beliebtet, müssen an ihr Gehirn noch ganz andere Ansprüche machen, als zum Beispiele solche Leute, welche da oben am Plattefluß ein Feuer riechen und dennoch nicht auf den so naheliegenden
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