06 - Weihnacht
andere Leute kein Wort zu sagen! Ihr bildet Euch ein, daß er tot sei, und ich behaupte, daß er lebt und sehr bald kommen wird. Ihr werdet mir wohl erlauben, mich nach meiner Überzeugung, nicht aber nach Eurer Einbildung richten zu dürfen!“
„Mr. Watter, das ist grob!“
„Das soll es auch sein, denn Ratschläge, um welche ich nicht gebeten habe, mag ich nicht haben! Ihr braucht Euch nur zu überlegen, wie die Sache steht: Ihr seid nicht einmal ein Greenhorn; Ihr wißt weder Gix noch Gax von dem Wildwest und seinem Leben; ich aber bin ein Westmann, welcher sich in jeder Lage auskennt; ja, ich kann dreist behaupten, daß ich mich selbst vor Leuten wie Winnetou, Old Shatterhand, Old Firehand und anderen nicht zu verstecken brauche; und da setzt Ihr Euch her zu mir und sprecht von Fehlern, die ich gemacht haben soll, und macht mir Vorschläge, über die ich eigentlich mich gar nicht ärgern, sondern lieber gradhinaus lachen sollte! Ihr habt doch wohl auch einmal sagen hören, daß der Mops den Mond anbellt? Nun, der Mond bin ich, und das weitere wollt Ihr Euch gefälligst selbst denken!“
„Schön! Der Mops sagt Euch Dank für diesen Vergleich, Mr. Watter!“ lachte ich.
„Bitte sehr! Und ferner mache ich Euch auf die Verrücktheit aufmerksam, welche in der großartigen Behauptung liegt, daß ich hier beraubt und ermordet werden soll.“
„Die Worte ermordet und beraubt habe ich nicht in Anwendung gebracht, nämlich in Beziehung auf Euch. Ich habe gesagt, daß es Euch, wenn Ihr nicht vorsichtig seid, ähnlich ergehen wird wie ihm. Das braucht also kein Raub und kein Mord, sondern das kann auch bloß ein Diebstahl sein.“
„Auch das ist lächerlich! Ich wollte sogar, es kämen solche Spitzbuben: wie würde ich ihnen heimleuchten! Mein Gold steckt tief im Kasten, und dieser ist nicht nur gut zugeschlossen, sondern ich habe ihn sogar fest angeschraubt.“
„Wo?“
„In der Stube, welche ich hier bewohne. Nehmt dann mich dazu, das Gewehr, das Messer, meine Revolver, so möchte ich den Dieb sehen, dem es gelingen könnte, mir den Kasten leer zu machen, oder gar ihn loszuschrauben und dann fortzutragen!“
„Seid Ihr denn stets in dieser Stube?“
„Nein.“
„Also!“
„Pshaw! Sie ist verschlossen, und ich habe den Schlüssel in der Tasche.“
„Ich sage ebenso Pshaw! Was man nicht durch Anwendung von Gewalt erreicht, das kann man vielleicht durch List viel leichter fertigbringen. Aber ich will Euch meine Warnung ja nicht etwa aufzwingen. Jeder mag sein eigener Wächter sein, und die Nuggets sind doch nicht mein sondern Euer Eigentum.“
„Das ist richtig, und es freut mich, daß Ihr anfangt, wieder vernünftig zu reden. Es klingt doch gar so possierlich, wenn die Maus dem Löwen Ratschläge erteilen will, wohin er den Tiger, der sich gar nicht an ihn wagt, zu beißen hat! Ich muß Euch, um Euch einen richtigen Begriff zu geben, sagen, daß nicht einmal Winnetou es gewagt hätte, mich ungebeten mit einem Rat zu belästigen.“
„Winnetou? Kennt Ihr ihn?“
„Und ob!“
„Persönlich?“
„Ja.“
„So habt ihr mit ihm verkehrt?“
„Sehr oft sogar, natürlich auch mit Old Shatterhand, der von ihm unzertrennlich ist. Und mit Old Firehand stehe ich mich sogar auf du und du.“
„Ja – a – a – a – a, Mr. Watter, wenn das der Fall ist, so habe ich mit meinen Ratschlägen freilich einen ganz unverzeihlichen Bock geschossen. Das hättet Ihr längst sagen sollen! Sind diese beiden Männer denn wirklich so unvergleichliche Westleute, wie man sie beschreibt?“
„Unvergleichlich? Hmmmmmm!“ brummte er, selbstgefällig schmunzelnd, indem er langsam an sich herabblickte. „Ich kenne Personen, oder doch wenigstens eine Person, welche diesen Vergleich wohl ganz gut aushalten würde; aber andere können sich auf keinen Fall an sie wagen.“
„Ich gäbe sonst was drum, wenn ich sie einmal sehen könnte!“
„Das glaube ich Euch, denn es ist wirklich eine Pracht, sie vor Augen zu haben. Der Winnetou ist ein wahrer Riese von Gestalt; er könnte sich getrost bei Barnum engagieren und für Geld sehen lassen. Und Old Shatterhand ist noch größer als er.“
„Wirklich?“
„Ja. Old Shatterhand ist zweimal so breit und um anderthalb Kopf höher als Ihr!“
„Good luck! So eine Gestalt ist an sich schon sehenswert!“
„Ja. Denkt Euch dazu eine Körperkraft, die es mit einem Ochsen aufnimmt, eine Gewandtheit, welche außer dem einen, den ich vorhin beim Vergleiche meinte,
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