06 - Weihnacht
diesem ganz besonderen Falle kann von einem Verdachte keine Rede sein, und mit der Anweisung habe ich mich so gut vorgesehen, daß die Zahlung gar nicht verweigert werden kann. Wir sind nämlich miteinander zum Bankier gegangen, wo er sie geschrieben hat. Dann wurde ausgemacht, daß, wenn ich käme und das Papier brächte, mir das Geld sofort ausgehändigt werden müsse. Der Bankier kennt mich also persönlich, womit allen späteren Zweifeln vorgebeugt worden ist.“
„So seid ihr also beide bei der Bank gewesen? Das will ich eher gelten lassen, als daß diese gar nichts davon weiß, und später kommt ein Fremder und verlangt eine so bedeutende Summe auf ein Papier hin, welches man mit Mißtrauen betrachtet. Auf die jetzige Weise gefällt mir dieses Geschäft natürlich besser als vorher. Die Anweisung nimmt er mit?“
„Natürlich! Und oben am Finding-hole muß er sie hergeben.“
„Und tauchen?“
„Ja. Der Alte ist ein vorzüglicher Schwimmer, und sein deutscher Neffe hat es auch gelernt. Sie werden gezwungen, die Nuggets aus dem eiskalten Wasser zu holen, und wenn ihnen dies das Leben noch nicht kosten sollte, helfen wir nach.“
„Alle Teufel, wird das ein Geschäft! Dann, dann haben wir die Nuggets von jetzt, das Gold aus dem Hole und die fünfundsiebzigtausend Dollars dazu. Wenn dieser Streich gelingt, können wir uns zur Ruhe setzen.“
„Ich wüßte keinen Grund, weshalb es mißglücken sollte!“
„Weshalb? Gründe stellen sich oft grad dann ein, wenn man sie am wenigsten erwartet hat. Man hat immer und stets Glück gehabt, und grad dann, wenn man den letzten Hauptstreich führen will, geht die Sache den verkehrten Gang. Bei diesem Welley wäre es uns auch beinahe mißlungen. Der Kerl war gescheiter als dieser geschwätzige Watter, der einem seine Nuggets beinahe in die Tasche steckt. Es ist gut, daß wir ihn damals haben reiten lassen. Auf diese Weise hat er das schwere Gold für uns hierhergeschleppt, und wir können es uns in aller Gemächlichkeit von ihm holen.“
„Was wird er für Augen machen!“
„Die werde ich mir ganz genau betrachten!“
„Du, sei ja nicht unvorsichtig!“
„Fällt mir nicht ein! Ich weiß ganz genau, wieweit ich – – –“
Jetzt begann unten ein neuer Tanz, und ich konnte nichts mehr verstehen. Das war ja eine außerordentlich saubere Angelegenheit, die man da vor meinen Ohren besprochen hatte! In ihrem ganzen Umfange kannte ich sie natürlich nicht; aber nach dem, was ich erlauscht hatte und mir dazu dachte, verhielt es sich so, daß der eine dieser Gauner, einem Manne, welcher der Onkel eines deutschen Neffen war, Nuggets vorgezeigt und ihm weisgemacht hatte, daß sie aus einem Finding-hole seien, welches er nicht selbst ausbeuten könne und also verkaufen wolle. Der Oheim war auf das Anerbieten eingegangen und hatte fünfundsiebzigtausend Dollars, zahlbar auf eine Anweisung, dafür versprochen, falls das Hole sich als so reichhaltig erweisen sollte, wie es ihm beschrieben worden war. Bis hierher war mir alles klar, aber woher hatten die Halunken die vorgezeigten Nuggets? Waren sie Welley abgenommen worden? Wer war der Onkel und wer der Neffe? Wo wohnten sie? Von welcher Bank hatte man gesprochen? Der Onkel und der Neffe waren gute Schwimmer. Wozu man dies benutzen wollte, das hatte ich gehört. Sie sollten nach dem Finding-hole gebracht werden, angeblich um es anzusehen, zu kaufen und zu bezahlen. Aber das war nur Vorspiegelung. In Wahrheit wollte man ihnen die Anweisung abnehmen, um sie später bei der erwähnten Bank in Geld umzusetzen, und die beiden Betrogenen sollten nicht bloß diesen Verlust erleiden, sondern auch noch gezwungen werden, die Nuggets aus dem Finding-hole herauszuholen.
Man muß wissen, was so eine Arbeit zu bedeuten hat! Man nehme an, so ein Goldloch befinde sich im Bette eines Gebirgswassers, welches aus den Eisfeldern quillt. Dieses tiefe Loch wird also von dem darüber wegfließenden Wasser vollständig angefüllt und hat auf seinem Grunde die wegen ihrer Schwere da hinuntergespülten Goldbrocken und Körner. Um sie herauszubekommen, muß man sich ausziehen und auf den Grund des eiskalten Wassers niedertauchen. Das muß so lange geschehen, bis nichts mehr unten liegt; es kann, je nach der Menge des Goldes, wochen- und auch monatelang dauern. Wenn man annimmt, daß schon ein einmaliges Tauchen in die eisige Flut genügt, sich eine tödliche Erkältung zu holen, so kommt man zu der Überzeugung, daß die vollständige
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