06 - Weihnacht
Kniffe, denn ich bin ein alter, erfahrener Westmann, der sich nicht so leicht etwas weismachen läßt!“
Diese Starrnackigkeit erbitterte den Oberkellner, der mich liebgewonnen hatte, so, daß er ihm in einem nichts weniger als freundlichen Tone die Warnung gab:
„Begeht ja nicht eine Unvorsichtigkeit, welche noch größer ist, als die gestrige war! Es könnte leicht geschehen, daß es Euch nicht möglich wäre, Euch der darauffolgenden Blamage bloß durch einen Sprung zum Fenster hinaus zu entziehen!“
„Was habt Ihr mir zu sagen, Ihr Grünschnabel? Behaltet Euern Rat für Euch, sonst könnte mir es in den Sinn kommen, zu denken, daß ein solcher Einbruch in ein Hotelzimmer unmöglich ohne das Vorwissen und die Beihilfe des Kellners unternommen werden kann!“
Da fuhr der Wirt zornig auf:
„Mann, werdet ja nicht unverschämt! Es tut mir um Euert- und um meines Hauses willen herzlich leid, daß so etwas geschehen ist, aber beleidigen lasse ich weder mich noch einen meiner Leute. Wenn Ihr auch Gäste verdächtigt, so kann ich leider direkt nichts dagegen tun und muß es ihnen überlassen, sich selbst zu wehren; ich hoffe aber, daß Mr. Meier, von dessen Unschuld ich überzeugt bin, Eure Anschuldigungen nicht länger so schweigsam auf sich ruhen läßt!“
Da kam der Sheriff mit einem Konstabler. Der letztere blieb an der Tür stehen; der erstere fragte, wo Mr. Watter, der Bestohlene sei. Dieser sprang auf und stellte sich als diesen vor. Er erzählte, was er vorher dem Wirte erzählt hatte, und sprach dann auch seinen gegen mich gerichteten Verdacht und dessen Begründung aus. Hierauf erkundigte sich der Beamte bei ihm:
„Habt Ihr auch andern Leuten gesagt, wo sich die Nuggets befunden haben?“
„Nein, keinem Menschen!“
„Und Ihr bleibt bei diesem Verdachte?“
„Ja, zumal dieser Deutsche gestern, als er bei mir saß, so unvorsichtig war, sich dadurch zu verraten, daß er unbedachterweise ein Wort über diesen Diebstahl fallen ließ.“
„Ah! Das gibt freilich zu denken.“
Er zog die Stirne in Falten, nahm mich mit einem fast beleidigenden Blicke in Augenschein, kam auf mich zu, blieb vor mir stehen und fragte:
„Ihr seid ein Deutscher?“
„Ja, und Ihr ein Yankee?“
„Hört, Mann, hier habe ich zu fragen und nicht Ihr!“
„Wer will es mir verbieten, zu fragen, wer und was jemand ist, der mit mir spricht?“
„Ich, Ihr scheint, hm – – –!“
Er legte den Kopf herüber und hinüber und betrachtete mich von beiden Seiten.
„Ich scheine – – – hm! sagt Ihr? Ich scheine gar nicht, sondern ich bin, was ich bin, nämlich noch immer im Unklaren darüber, wer und was Ihr seid.“
„Donnerwetter! Ich bin der Sheriff!“
„Schön! Das muß doch gesagt werden, weil wir Menschen nun einmal nicht allwissend sind. Jetzt stehe ich Euch zur Verfügung und werde Eure Fragen, solange sie höflich sind, gern beantworten.“
„Hört, Ihr werdet sie auch in dem Falle, daß Ihr sie nicht für höflich haltet, beantworten müssen!“
„Wird mir nicht einfallen!“
„Oho! Ich bin bekleidet mit der Staatsgewalt!“
„Richtig! Aber mit was für einem großen oder kleinen Teile dieser Gewalt? Ihr seid ein ganz gewöhnlicher Bürger der Vereinigten Staaten, dem man auf nur zwei Jahre das Amt des Sheriffs übertragen hat; dann werdet Ihr wieder, was Ihr vorher waret. Als ein Herrscher von Gottes Gnaden steht Ihr nicht vor mir, und wenn mir Eure Fragen nicht gefallen, so bekommt Ihr eben keine Antwort darauf. Ich würde nicht in dieser Weise zu Euch sprechen, Sir, wenn Euer Benehmen gegen mich das richtige gewesen wäre!“
„Wieso war es denn nicht richtig?“ lächelte er ironisch.
„Ein Richter oder Polizist muß vor allen Dingen gelernt haben, seine Blicke zu beherrschen; das ist es, was Ihr nicht könnt. Man kann mit den Augen unter Umständen leicht oder vielmehr auch schwerer als mit Worten beleidigen.“
„Das ist ja eine ganze Strafpredigt, welche Ihr mir haltet! Ihr gebt doch zu, daß Ihr verdächtigt worden seid?“
„Yes!“
„Ich habe Euch also zu vernehmen und werde Euch arretieren, wenn es mir beliebt!“
„Das werdet Ihr nun freilich nicht!“
„Wer will es mir verwehren?“
„Ich!“
Er trat einen Schritt zurück, unterwarf mich wieder einer höchst ironischen Betrachtung und antwortete lachend:
„Ihr? Mir verwehren? Sagt mir doch einmal gütigst, wie Ihr das anfangen würdet!“
„Soll ich es Euch nicht lieber zeigen?“
„Well“, nickte
Weitere Kostenlose Bücher