06 - Weihnacht
ganz ruhig hinzunehmen, sonst könnte ich, wenn Sie diesem Rate nicht Folge leisten, Ihnen noch ganz anders kommen, als ich schon gekommen bin!“
„Was soll das heißen! Was meinen Sie? Soll das etwa eine Drohung sein?!“ fuhr er mich zornig an. „Sie sind nicht der Mann, der auch nur einem Floh in meinem Rocke Angst einjagen könnte!“
„Ich habe es weniger auf die Flöhe in Ihren Kleidern als vielmehr auf das Ungeziefer in Ihrem Gewissen abgesehen!“
„Ungeziefer – – –? Gewissen – – –? Was wissen Sie von meinem Gewissen? Wenn Sie wieder eine Verrücktheit loslassen wollen, dann heraus damit, heraus!“
„Well! Woher haben Sie Ihr Gewehr, Sie frommer Mann?“
„Woher? Gekauft habe ich es natürlich!“
„Von wem?“
„Von dem früheren Eigentümer.“
„Wer war das?“
„Ein Freund von mir, dessen Namen Sie nicht zu wissen brauchen.“
„Wann haben Sie es gekauft?“
„Vor langer Zeit; es ist länger als zehn Jahre her.“
„Das ist eine Lüge!“
„Eine Lüge? Herr, wagen Sie ja nicht, mich zu beleidigen, Sie Mr. Meier – Meier, – – Meier, Sie!“
„Pshaw! Ich kenne das Gewehr!“
„Sie? Ah so! Sie scheinen alles Unbekannte zu kennen!“
„So will ich einmal sehen, ob Sie auch so etwas Unbekanntes kennen. Haben Sie vielleicht schon einmal den Namen Arnos Sannel gehört?“
Diese Frage kam ihm so vollständig unerwartet, daß er keine Zeit, sich zu beherrschen fand. Er erbleichte bis in die Haarwurzeln hinauf, nahm sich aber schnell zusammen und antwortete, wenn auch in unsicherem Tone:
„Dieser Name ist – – ist mir – – mir vollständig unbekannt.“
„So will ich Ihnen sagen, daß Arnos Sannel ein Pelzjäger ist oder vielleicht auch war, aus dessen Gewehr – – Ihrem jetzigen, ich sehr oft geschossen habe. Darum die vier sichern Treffer hintereinander! Bei Lebzeiten verkauft oder verschenkt so ein Mann ein solches Gewehr nie; ich nehme also an, daß es ihm gestohlen wurde oder daß es erst nach seinem natürlichen oder auch gewaltsamen Tode in andere Hände gekommen ist. Was sagen Sie dazu?“
„Nichts, gar nichts, als daß Sie mir beweisen sollen, daß mein Gewehr dasjenige dieses Arnos Sannel ist.“
„Nichts leichter als das! Sein Name ist eingeätzt.“
„Schau! Eingeätzt? So, so! Meine Damen und meine Herren, sehen Sie sich das Gewehr einmal genau an, und wenn Sie einen Namen finden, lasse ich mich auf der Stelle hängen!“
Er holte es und gab es zum Betrachten in der Reihe herum. Niemand fand, was ich meinte. Da zeigte ich auf die beiden Backen und erklärte:
„Der Dieb oder gar Raubmörder wird sich das Gewehr freilich sehr genau angesehen haben, ist aber ein so großer Dummkopf gewesen, diese Blumen nur für Blumen, nicht aber für Verschleierungen des Namens zu halten. Sehen Sie genauer hin, so werden Sie bemerken, daß die Staubfäden ein A und ein S bilden, was eben Arnos Sannel bedeutet!“
Jetzt freilich fanden sie die Buchstaben leicht; sie wichen von dem Prayer-man zurück. Dieser bemerkte das und zischte mich grimmig an:
„Schwindler, der Sie sind! Sie haben beim Laden ganz zufällig die Ähnlichkeit der Staubfäden mit den beiden Buchstaben bemerkt und sich schnell eine Lüge ausgesponnen, um sich an mir zu rächen!“
„Den ‚Schwindler‘ bleibe ich Ihnen für zwei Augenblicke schuldig und lasse Sie aus guten Gründen auch in Beziehung auf das Gewehr einstweilen laufen. Für jetzt handelt es sich nur um unser Wettschießen. Ich will den Preis haben, und Sie wollen ihn nicht zahlen. Die Anwesenden mögen entscheiden; ich werde mich ganz genau nach ihrem Urteile richten. Also, Myladies und Mesch'schurs, habe ich die zweihundert Dollars bekommen sollen, falls ich die Siebenundvierzig überschießen würde?“
„Ja“, erklang es rundumher.
„Habe ich eine Achtundvierzig geschossen, also mehr als er?“
„Ja.“
„Gehört das Geld nun ihm?“
„Nein.“
„Mir?“
„Ja.“
„Well, so werde ich es nehmen, und wer mich darin hindern will, der hat es nun mit mir zu tun!“
Ich wendete mich wieder an die Dame; da fuhr der Prayer-man schnell dazwischen:
„Halt! Ich dulde es nicht. Es war eine Wette, und das Geld ist noch nicht ausgezahlt. Das Gericht entscheidet, daß kein Mensch zur Zahlung zwingen kann!“
„Papperlapapp! Sie haben sich so vor dem Gerichte zu fürchten, daß es Ihnen gar nicht einfallen wird, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Übrigens Gericht – – – es gibt
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