06 - Weihnacht
gewohnt?“
„Yes!“
„So muß ich auch ihn befragen trotz der Garantie, welche Ihr mit Euren Worten für ihn bietet. Sagt, Mr. Meier, werdet Ihr so vernünftig sein, mich in Eurem Zimmer nachsehen zu lassen?“
„Ja“, antwortete ich. „Doch stelle ich die Bedingung, daß auch das Zimmer und die Sachen des Prayer-man untersucht werden!“
„Einverstanden!“
„Nein, nicht einverstanden!“ rief Watter. „Ich lasse meinen Freund nicht beleidigen! Ich kann nachweisen, daß er während der ganzen Zeit, in welcher der Diebstahl ausgeführt worden sein muß, bei mir gesessen hat; dann bin ich mit ihm auf sein Zimmer gegangen und habe ihn eingeschlossen und seinen Schlüssel mitgenommen. Er ist so unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Nehmt nur dort diesen Mr. Meier tüchtig vor, der doch schon durch seine Gewalttätigkeiten und Grobheiten beweist, daß er ein böses Gewissen hat!“
Durch diese Wiederholung seiner Beschuldigung nun endlich doch erzürnt, ließ ich mich leider zu der Dummheit hinreißen, zu entgegnen:
„Was dieses neugeborene Kind betrifft, so bin ich über ihn zu Mitteilungen bereit, die Euch wahrscheinlich überraschen werden. Er mag zunächst beweisen, daß das Gewehr des alten Arnos Sannel sein wohlerworbenes Eigentum ist, und sodann kenne ich ihn auch in anderer Beziehung besser, als er ahnt. Ich bin droben am Platte-River nicht so unbekannt, wie er denkt, und werde nachweisen, daß er sogar den sonst so vorsichtigen Welley mit auf seinem Gewissen hat!“
Der Prayer-man wurde leichenblaß und starrte mich aus den weit aufgerissenen Augen mit einem so erschrockenen Blicke an, als ob ich eine gespenstige Erscheinung sei.
„Platte-River – – –? Welley – – –?“ fragte mich der Sheriff. „Was ist's mit diesem Flusse, und welche Bewandtnis hat es mit diesem Welley?“
„Das sollt Ihr bald erfahren. Gebt nur vor allen Dingen Eurem Konstabler den Befehl, sich an die Tür zu stellen und diesen Verkäufer frommer Schriften nicht hinauszulassen! Ich sehe voraus, daß er nicht zögern – – – halt, halt, halt!“
Der Prayer-man hatte, als ich ihn und seinen Komplizen belauschte, gesagt, daß er der Entdeckung des Diebstahles mit Vergnügen beiwohnen werde; jetzt war die Zeit zu diesem Vergnügen da; aber die Verhältnisse waren anders, als er sie sich dabei gedacht hatte. Meine Anschuldigungen kamen für ihn wie ein Blitz aus heitrem Himmel herab. Der Boden war ihm schon draußen beim Wettschießen unter den Füßen warm geworden; jetzt fühlte er, daß diese Wärme sich zur Hitze steigerte, und als ich nun gar seine Bewachung forderte, riß er sich aus dem Schreck, in welchen ihn meine Erwähnung Welleys versetzt hatte, heraus und war mit zwei schnellen Sprüngen durch die Tür verschwunden. Er hatte nichts in den Händen gehabt; seine Sachen befanden sich also noch auf seinem Zimmer; daraus war zu schließen, daß er wenigstens auf sein Gewehr nicht verzichten, sondern dieses holen werde; darum forderte ich die Anwesenden auf, schnell mit mir nach dem Hintergebäude zu kommen, um ihn dort festzunehmen. Ich eilte nach der Tür; da stellte sich mir aber der Sheriff in den Weg und sagte:
„Bitte, zu bleiben, Sir! Ihr seid Angeschuldigter und dürft nicht hinaus!“
„Angeschuldigter? Der Prayer-man hat doch durch seine Flucht bewiesen, daß er der Täter ist!“ antwortete ich.
„Nein! Ihr habt ihm noch andere Dinge vorgeworfen, auf die sich seine Flucht beziehen könnte. Ich werde mit dem Wirte und dem Oberkellner ihm nacheilen; Ihr aber bleibt mit dem Konstabler hier!“
„Das hieß ja soviel wie Arretur, und die dulde ich nicht, wie ich schon gesagt habe!“
„Mißversteht mich nicht! Ihr seid nicht verhaftet, sondern ich bitte Euch, hier zu bleiben, bis ich wiederkomme. Wollt Ihr mir versprechen, dies zu tun?“
Das kam mir denn doch so komisch, so urkomisch vor, daß ich mich laut lachend niedersetzte und dem Beamten antwortete:
„Well; ich werde sitzen bleiben, bis Ihr zurückkehrt, falls Ihr mich nicht bis zum Jüngsten Tage warten laßt! Aber macht jetzt schnell, sonst macht sich das liebe, unschuldige, neugeborene Kind mit allen Flügeln fort, und der kluge Mr. Watter bekommt seine Nuggets niemals wieder!“
Sie trabten alle zur Tür hinaus und ließen mich und Hiller unter dem liebreichen Schutze des Konstablers im Zimmer zurück. Es war wirklich eine Dummheit von mir gewesen, dem Prayer-man zu verraten, daß ich einen Blick in seine
Weitere Kostenlose Bücher