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mit rührendem ernsthaftem Entsetzen, während Brendan versuchte, gleichzeitig spöttisch und gelangweilt auszusehen.
Vampirkönigin heißt das, dachte ich. Aber ich hatte Mitleid mit ihnen. Ihr Gehör war wahrscheinlich so gut wie meines. Vielleicht sogar besser. Ich kniff die Augen zusammen, als ich mein Glas ohne hinzusehen ausspülte und es dann aus Versehen am Wasserhahn zerbrach. Ich versuchte ihre Kraft und Schnelligkeit im Vergleich zu Antonia einzuschätzen.
Antonia, die zwar stark, aber kein Gestaltwandler war.
Antonia, deren Gabe, die Zukunft vorauszusagen, sie und die, die sie liebte, einen hohen Preis kostete.
Ich wusste nicht, was schlimmer war: von anderen Freaks für einen Freak gehalten zu werden oder Visionen zu haben und sich damit nie zu irren.
War sie deswegen gegangen? Hatte sie etwas Schreckliches vorhergesehen (bitte, lieber Gott, lass es nichts sein, was Sinclair oder Marc oder Jessica betrifft, okay, lieber Gott? Ich mache es auch wieder gut, lieber Gott, bitte, bitte! Amen.) und war deshalb zusammen mit ihrem ganz persönlichen Biest abgehauen?
Nein, das konnte nicht sein. Antonia hatte viele Fehler, aber sie würde nicht einfach so kneifen. Und wenn (was sie nie tun
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würde), dann würde sie mich vorher warnen. Schließlich war ich - wie nannte man das? - ihr Leitwolf pro tempore.
„Antonia war ziemlich zugeknöpft, was euch anging." Ich saß Michael gegenüber.
Schweigen.
„Sie hat nie viel über ihr Rudel gesprochen." Ich versuchte mich zu erinnern, musste aber gestehen, dass ich so gut wie nichts über das Rudel wusste. Und das lag nicht nur daran, dass ich es mir zur Gewohnheit gemacht hatte, nicht hinzuhören, wenn Antonia wieder einmal eine ihrer Tiraden anschlug - was täglich passierte. Nun, wahrscheinlich war das der Hauptgrund, aber Tatsache war doch .. „Sie hat nie von euch geredet."
„Sie hat mir auch nie von euch Vampiren erzählt", gab Michael zurück. „Jeden Monat war es dasselbe: Ist alles okay? Ja. Brauchst du etwas? Nein. Soll ich jemandem etwas von dir ausrichten? Nein. Möchtest du mir etwas sagen? Auf keinen Fall!"
Für einen Moment herrschte Schweigen. Ich wusste nicht, was ihnen durch den Kopf ging, mir aber wurde klar, dass ich von Glück sagen konnte, dass Antonia ihre Loyalitäten so gut unter einen Hut bringen konnte. Der Ausdruck auf Wyndhams Gesicht deutete darauf hin, dass er dasselbe oder etwas Ähnliches dachte.
Ich schlug die Beine übereinander und starrte auf meine schwarzen Socken.
Ich durfte nicht vergessen, meine Saddle-Schuhe aus der Eingangshalle zu holen. „Sie hat euch doch sicher eine Erklärung geliefert, als sie bei uns einzog. Oder etwa nicht?" Ich blickte auf und sah in verwirrte Gesichter. „Sie sagte, sie brauchte deine Erlaubnis. Ich fand es sehr komisch, dass eine erwachsene Frau um Erlaubnis bitten musste, wenn sie bei uns wohnen wollte, aber als ich das ihr gegenüber erwähnte, ließ sie mich wissen, dass ich selber sehr komisch wäre und die Klappe halten sollte."
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Wyndham und seine Leute nickten. Michael fügte hinzu: „Über dich hatte sie wenig zu sagen, selbst als sie in den Mittleren Westen gezogen ist. Ich habe meine Bestimmung gefunden, sagte sie, und mein Platz ist bei der Königin und dem König der Vampire. Ja, die gibt es wirklich!'
„Mach dir keine Vorwürfe, dass du ihr nicht geglaubt hast", sagte ich. „Ich habe auch nicht an Werwölfe geglaubt, bis Antonia aufgetaucht ist. Und, äh . .
sich nicht in einen Wolf verwandelt hat."
„Ich komme nicht zurück, hat sie gesagt. Das war ihre Art, um Erlaubnis zu fragen. Verkauf mein Haus und schick mir einen Scheck. Und versuch mich nicht zu verarschen oder ich sehe deinen Tod voraus und sage es dir nicht"
Ich musste zugeben, das hörte sich ganz nach ihr an.
„Sie war einverstanden, sich monatlich bei uns zu melden", sagte Michael.
„Und so war es dann auch. Bis wir nichts mehr von ihr hörten. Und jetzt, Betsy, klär mich auf. Was ist ein Biest? Und wo finde ich denjenigen, der unser Rudelmitglied getötet hat?"
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„Nun mal langsam", sagte ich und wünschte, ich müsste nicht ganz allein mit dieser Situation fertig werden. „Wir wollen mal keine voreiligen Schlüsse ziehen, mein eifriger kleiner Welpe. Garrett würde eher seine eigenen Eier essen, als Antonia wehzutun, und er würde sie nie, nie, nie umbringen."
Derik erschauderte und vergrub das Gesicht in den Händen. „Musst du unbedingt Bilder gebrauchen, die ich nie wieder
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