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ihn für immer verlassen soll."
„Zu deinem eigenen Besten!"
„Nein, zu deinem Besten. Es ist schwer, so zu tun, als sei man ein Musterkind, wenn die eigene Schwester die Königin der Vampire ist, nicht wahr?"
„Du weißt, dass das nicht richtig ist, was du tust."
„Sagt das Mädchen, das jedes Mal das Schwert zieht, wenn es wütend ist."
„Ich verliere nicht mit Absicht die Beherrschung."
„Hast du mit Sinclair die Beherrschung verloren?"
„Nein!"
„Was ist mit Antonia und Garrett? Garrett hast du einmal fast zu Tode geprügelt. Hat er dich wieder geärgert? Hast du ihn mit deinem kleinen handlichen Schwert fertiggemacht, dir dann
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Antonia vom Hals geschafft und uns gegenüber anschließend das Blaue vom Himmel gelogen?" „Ich lüge nicht!"
Aha! Jetzt kamen wir der Sache schon näher. Die Farbe ihrer Augen wechselte von Blau zu Giftgrün und in ihrem blonden Haar wuchsen rote Strähnen. Sie verlor die Beherrschung. Sie war nicht mehr Laura, die Tochter eines Pastors.
In meiner Küche stand die Tochter des Teufels, mit einer für mich tödlichen Waffe in der Hand.
Sehr gut. „Gestehe, Rotschopf. Was hast du getan?"
„Nichts, gar nichts. Lass mich gehen oder ich . ."
„Du tötest mich?"
„Lass mich gehen", zischte sie. „Lass mich gehen oder ich bringe dich um, egal, ob es mir hinterher leidtut."
„Willst du mich wirklich mit diesem Ding durchbohren? Deine eigene Schwester töten? Baby Jon zum Waisen machen .. das zweite Mal in einer Woche?"
„Genau das alles werde ich tun, wenn du mich nicht sofort loslässt. Lass mich los, auf der Stelle, Vampirkönigin!"
„Was hast du getan, Laura?"
„Lass mich los!", schrie sie und das Fenster über dem Spülbecken in meinem Rücken zersprang.
„Wow, ein neuer Trick. Nicht schlecht, Teufelstochter. Gibt es noch etwas Neues, das du der Klasse zeigen willst?"
Einen Moment lang schwieg sie und auf einmal fühlte ich mich albern, wie ich meine kleine Schwester an der Gurgel in die Höhe hielt und versuchte, das Schwert von meinem Auge fernzuhalten. War es das, was passierte, wenn alles auf einmal schiefging? Konnte man denn wirklich niemandem mehr trauen?
„Ich weiß, was du vorhast. Das wird nicht klappen. Lass mich runter."
Ihre Augen waren wieder blau und auch das Rot in ihren Haaren verblasste zu ihrem üblichen Blond. Das Schwert verschwand in einem Blitz. Nein, es hatte nicht geklappt. Was auch immer sie getan haben mochte, es war geschehen, als sie sich in ihr anderes Selbst, ihr dunkleres Ich, verwandelt hatte. Wenn sie sich aufregte, verlor sie den Verstand. Sie war nicht listig wie ihre Mutter. Nur außer sich vor Wut. Zu wütend, um zu lügen.
Aber nun hatte sie sich wieder beruhigt. Sie war erneut auf der Hut und konnte auch wieder lügen.
Ich ließ sie los.
„Wirklich, Betsy." Aufgebracht strich sie ihr Hemd glatt. „Was würde Jesus tun?"
„Dich in Brot und Fische verwandeln?"
„Ich habe genug von deiner Blasphemie." Sie ging zur Tür und schob sich die Ponysträhnen aus der Stirn, als sie an mir vorbeistapfte.
„Du bist viel interessanter, wenn du wütend bist!", schrie ich ihr nach.
„Fahr zur Hölle! Und das kannst du durchaus wörtlich nehmen."
„Was glaubst du denn, wo ich jetzt gerade bin?", rief ich, aber als Antwort bekam ich nur das Schlagen der Tür - ein Zeichen dafür, dass sie den langen Flur wirklich entlang gerast sein musste.
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Ich wollte es nicht tun. Eigentlich konnte ich mir ungefähr tausend Dinge vorstellen, die ich lieber tun würde, eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung eingeschlossen. Ich hielt mich zurück, so lange ich konnte. Also ungefähr noch zehn Minuten, nachdem mir die Idee gekommen war.
Nick hatte erkannt, dass ich ein Vampir war und dass wir alle mit schweren schwarzen Stiefeln über sein Gehirn hinweg getrampelt waren. Aber Nick war nicht der Einzige, den wir mit unserem Vampir-Mojo hypnotisiert und es hinterher bereut hatten.
Ich musste nichts weiter tun, als Tina anzurufen, die gerade versuchte, über die Schweizer Grenze zu gelangen. Das war eine Überraschung für mich.
Offen gestanden hatte ich nicht gewusst, dass die Schweiz in der Nähe Frankreichs zu finden war.
„Liegt das nicht viel weiter nördlich? Irgendwo bei Grönland?"
„Meine Königin, wie kann ich Euch dienen?" Tina klang gequält.
„Ich brauche Jon Deiks Adresse." Es folgte eine lange Pause. „Tina? Blöde Handys ..."
„Meine Königin, wozu kann diese Information gut sein? Da Ihr doch
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