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060 - Bis zum letzten Schrei

060 - Bis zum letzten Schrei

Titel: 060 - Bis zum letzten Schrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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anders
überlegt, stellte sie keine weiteren Fragen mehr.
    Gerard
Tullier und André Soiger kehrten schließlich wieder ins Zimmer zurück von wo
aus der Geheimgang in den Rittersaal führte. Eine steile, stark gewundene
Treppe ging nach unten. Die roh gemauerten Wände ließen sich durch einen
raffinierten Mechanismus einwandfrei öffnen und schließen, ohne daß danach die
Anlage der Geheimtür in diesem schattigen Winkel des Zimmers zu sehen war.
    Gerard
Tullier fertigte eine Skizze vom Verlauf des Ganges und der Treppe an.
    Er war so
gepackt von seiner Entdeckung, daß er die Einladung Soigers überhörte, der nach
anderthalb Stunden vergeblicher Suche nach weiteren Geheimgängen und Türen den
Vorschlag machte, essen zu gehen.
    Doch Tullier
verkroch sich in alte, modrig riechende Bücher, in denen er bestimmte Stellen
mit Rotstift angestrichen hatte.
    »Der erste
Mord geschah an einer jungen Frau, Soiger«, sagte Tullier mit dumpfer Stimme, und
das gebräunte Gesicht des Malers war starr wie eine Maske. »Die damalige
Burgherrin, Comtesse Angelique, erstach mit dem Schwert ihres Mannes ihre
Schwägerin. Sie wissen, daß damit das Blutbad begann. Comtesse Angelique rächte
sich für die Schmach, die ihr von der eigenen Familie zugefügt worden war. Von
ihrer Schwägerin aus war das Gerücht aufgekommen, daß die beiden Kinder nicht
von ihrem Mann stammten. Der Gemahl der Burgherrin erfuhr dies auf geschickte
Weise. Im Rittersaal unten hat er vor den Augen seiner entsetzten Gattin die
beiden Kinder durchbohrt. Wenn man den Berichten Glauben schenken darf, dann
war die Burgherrin nach dem furchtbaren Vorfall für einige Tage verschwunden.
Niemand fand sie in der Burg, obwohl man alles nach ihr absuchte. Doch immer
dann, wenn einer ihrer Verwandten zu Besuch war, tauchte die Burgherrin auf. In
einem unbewachten Augenblick tötete die Comtesse ihr Opfer. Jedes kam durch
eine andere Todesart um.«
    Tullier hob
den Blick. »Edith Rouflon«, fuhr er wie in Trance fort, »kam durch einen
Schwertstich ums Leben. Ich habe die Stichwunde an ihr gesehen, André. Aber ich
habe alle Schwerter auf Blutspuren geprüft. In der Sammlung im Rittersaal fehlt
kein Stück. Auch die anderen Stücke, die wir überall im Schloß hängen haben,
wurden nicht benutzt. Es gibt nur einen Schluß, André: Die Weiße Frau hat die
Mordwaffe mitgebracht. Und sie hat diese Waffe wieder versteckt!«
    Tulliers
Stimme wurde leise und klang geheimnisvoll. »Ich weiß nicht mehr, wie oft ich
heute nacht und auch heute morgen durch den Geheimgang geschlendert bin, in der
Hoffnung, einen weiteren Hinweis auf einen Zugang nach unten zu finden. Es muß
diesen Zugang geben! Die Weiße Frau kann sich in Luft auflösen, das behaupteten
schon die Vorbesitzer.
    Die Totenfrau
besteht nicht mehr aus Fleisch und Blut… das Schwert aber ist materiell. Es muß
irgendwo versteckt sein, André. Wo, sag es mir – wo?«
    In Tulliers
Augen trat ein Flackern. Soiger fühlte sich unsicher und bedrückt.
    Gerard
Tullier war nicht mehr der alte.
    »Ich weiß es
nicht«, entgegnete Soiger schwach.
    »Wir müssen
es herausfinden, André. Und du wirst mir dabei helfen. Wir werden die Burg auf
den Kopf stellen, wir werden uns in den nächsten Tagen jeden einzelnen Gang
vornehmen.«
    »Oui, Monsieur«, sagte Soiger leise.
    Aber er
fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, das Unternehmen gemeinsam mit Tullier
durchzuführen. Wurde ihm denn gar nicht bewußt, daß sie ein tödliches Risiko
auf sich nahmen? Es war ein Mord geschehen, und Tullier rechnete damit, daß
sich Ähnliches wiederholen könne.
    Tullier
lachte leise, als er das nachdenkliche Gesicht seines Burgaufsehers sah. »Angst?«
fragte er.
    Der Maler schien
zu ahnen, was in diesem Augenblick in Soigers Kopf vorging. »Nichts im Leben
ist ohne Risiko. Auf der Suche nach Neuem, Unbekanntem, setzen die Menschen
immer ihr Leben aufs Spiel. Das ist ihnen die Sache und der Nervenkitzel wert!
Ich habe das Gefühl, die sensationellste Entdeckung dieses Jahrzehnts zu
machen, André. Ein ganzes Leben lang wartete ich darauf, dem Geheimnis dieser
Burg auf die Spur zu kommen. Aber ich bin, im wahrsten Sinn des Wortes, gegen
undurchdringliche Mauern gerannt. Nun zeigen sich mit einem Mal Risse und
Spalten in dem Gemäuer. Es gibt eine erste greifbare Spur. Selbst wenn es mich
mein Leben kosten sollte, oder meinen Verstand, André…«
    Soiger wußte
nur zu gut, was diese letzte Bemerkung bedeutete. Es hieß, daß derjenige, der

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