060 - Bis zum letzten Schrei
ich
freu mich darauf.«
»Es wäre
schon ein toller Zufall, wenn das Knäblein von vorhin auch für morgen eine
Burgenfahrt beabsichtigt hätte«, sagte Frank Dolega und griff nach seinem Glas.
»Vielleicht
ist er irgendwie in der Burgverwaltung tätig oder arbeitet bei einem Bautrupp,
der dort Renovierungsarbeiten vornimmt«, flachste die Schwedin. »Aber jetzt
Spaß beiseite! Nachdem ich ihn abblitzen ließ, wird er wohl keine weiteren
Annäherungsversuche mehr machen. Wir haben rund dreihundert Mark gewonnen.
Frank, setzen wir die aufs Spiel oder heben wir die für was Besseres auf?«
»Für was
Besseres aufheben«, sagte Frank Dolega. »Morgen im Elsaß Rotwein dafür kaufen.«
●
Nachdem
Gerard Tullier mit dem Reiseleiter den bürokratischen Kleinkram erledigt hatte,
wurden ihm die einzelnen Teilnehmer vorgestellt. Es waren meistens Ehepaare.
Drei Personen
waren als Einzelreisende unterwegs: Mabel Sallenger, das Medium, Professor Calleghan,
der sich für esoterische Literatur und Mystik interessierte, und ein gewisser
Larry Brent, der sich als Ghost Hunter bezeichnete.
Larry Brent
wirkte nervös und zerfahren, und am liebsten hätte er gleich die mitgeführten
Instrumente an verschiedenen Stellen in der Burg aufgestellt, sogenannte
Geisterfallen, die ihm den Nachweis erbringen sollten, daß hier wirklich eine
Weiße Frau umging.
Larry gab an,
einer Gesellschaft anzugehören, die übersinnliche Phänomene erforschte,
katalogisierte und sogar mit Vorträgen in Funk und Fernsehen an die
Öffentlichkeit trat.
»Leider gibt
es bei uns in den Staaten so gut wie keine Burgen und Schlösser«, bemerkte
Larry. Er benahm sich wie ein aufgeregter Junge, der ahnte, daß er vor einer
großen Entdeckung stand, aber nicht wußte, wie er mit dem Problem fertig werden
sollte. »Und Geister gibt es da schon gar nicht.«
Er blickte
über den Rand seiner Brille hinweg, die überhaupt nicht zu seinem Typ paßte und
ihm eher das Aussehen eines Trottels verlieh.
X-RAY-3
erweckte den Eindruck, als sei er ein vergessener Außenseiter, der sich ganz in
seine absurden Studien verlor. Er spielte die Rolle mit Bravour. »Die sind alle
eingegangen.«
»Eingegangen?«
wunderte Gerard Tullier sich.
»Die
Schlösser, die wir haben, wurden nachgebaut. Von ein paar dollarschweren
Burschen. Aber es gibt auch zwei oder drei echte. Aus England und Schottland.
Die haben Millionäre Stein für Stein hier in Europa abbauen und drüben in den
Staaten wieder aufbauen lassen. Eines, ein schottisches Spukschloß, soll laut
Urkunde eines Notars garantiert mit einem echten Gespenst verkauft worden sein.
Aber unsere Vereinigung hat schon Wochen und Monate dort verbracht. Bis jetzt
haben wir den Nachweis nicht erbringen können.« Er winkte linkisch ab.
Gerard
Tullier blickte sich in der Runde um. »Dann werden Sie wohl schon viele
Enttäuschungen erlebt haben, wie?«
X-RAY-3
nickte. »Das kann man wohl sagen. Es gibt einige Plätze, wo wir noch keine
Entscheidung treffen konnten.«
»Hier werden
Sie keine Enttäuschung erleben«, sagte Tullier, abwechselnd den nervösen
Amerikaner und dann die kleine, schmächtige Amerikanerin musternd.
Mabel
Sallenger war ein eigenwilliger, sensibler Typ. Wenn man die fast weißblonde
Besucherin betrachtete, wurde man unwillkürlich daran erinnert, sich zu fragen,
wovon sie eigentlich existierte. Es gab kein Gramm Fett an diesem asketisch
mageren Körper. Das Gesicht wirkte vergeistigt, die Stirn war hoch und glatt.
Die dunklen Augen erinnerten an etwas zu groß geratene schimmernde Knöpfe.
Sie bewegte sich
lautlos und geschmeidig, was irgendwie im Kontrast zu ihrem kantigen, knochigen
Körper stand.
Dadurch, daß
Tullier das eine – zunächst für die Besucher der Vision-Tours vorgesehene – Zimmer
nicht freigab, hatten sich Komplikationen mit der Unterbringung ergeben.
»Warum
unterschlagen Sie uns dieses Zimmer?« wollte Mabel Sallenger wissen.
»Sie erwarten
von mir, daß ich Sie nicht betrüge.« Gerard Tullier wirkte sehr ernst. »Ich
biete Ihnen für eine Nacht ein echtes Spukschloß. Ich bin aber für Ihre Sicherheit
verantwortlich. Es gibt etwas in diesem Zimmer, das unter Umständen gefährlich
für den Bewohner werden könnte. Vorhin, als man uns miteinander bekannt machte,
habe ich Ihnen allen in groben Umrissen von der blutigen Geschichte dieser Burg
erzählt. Seit ein paar Tagen ist es so, daß sich die Totenfrau wieder bemerkbar
macht! Ich möchte nicht, daß jemand zu Schaden
Weitere Kostenlose Bücher