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060 - Bis zum letzten Schrei

060 - Bis zum letzten Schrei

Titel: 060 - Bis zum letzten Schrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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ganz im Sinne des jungen
Franzosen.
    Doch er irrte
sich. Während des Aufenthaltes in der Burgschänke kam Gerard Tullier nicht.
    Simon Tullier
und Soiger unterhielten sich über alte Zeiten, als Simon noch ein Junge und das
ganze Jahr über hiergewesen war. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatte
ein Privatlehrer den Jungen auf der Burg unterrichtet.
    Anfangs hörte
auch Vivi Carlson interessiert zu. Dann, sie hatte ihren Espresso gerade
ausgetrunken, erhob sie sich und ging auf die Trennungstür zu, über der das
Bild der Weißen Frau hing.
    »Wer ist das?«
fragte die Dänin, als eine Gesprächspause eintrat.
    »Die
ehemalige Burgherrin«, sagte Soiger schnell.
    Die Dänin
musterte das Bild lange und eingehend. Der Maler hatte das Wesen und die
Erscheinung der Frau ihrer Meinung nach sehr gut zum Ausdruck gebracht. Die
Augen schienen zu leben und jede Bewegung außerhalb des Bilderrahmens
mitzuverfolgen.
    Rätselhaft
und unergründlich war das leise, wissende Lächeln, das diesem Frauenantlitz die
Schönheit eines Engels gab.
    Simon Tullier
rückte lautstark seinen Stuhl auf dem nackten Steinboden zurück. »Um diese Frau
gibt es eine interessante Geschichte«, meinte der junge Mann.
    »Interessante
Geschichten hör ich gern. Eine Gespenstergeschichte?« fragte Vivi.
    »Fast. Sie
soll sechs Menschen umgebracht haben.«
    »Diese Frau?«
Die Dänin zupfte den knapp sitzenden Pulli zurecht. »Sie sieht aus, als könne
sie keiner Fliege etwas zuleide tun.«
    »Das Äußere
täuscht«, fuhr Simon Lautrec Tullier fort und kam auf das Bild zu. »Mein Vater
hat sämtliche Berichte und Unterlagen studiert, die er ausfindig machen konnte.
Er ist überzeugt davon, daß sich das Blutbad tatsächlich hier in der Burg
abgespielt hat. Es soll sogar ein Fluch auf ihr lasten. Irgendwann mal in einem
Jahrhundert soll sich das furchtbare Ereignis hier in diesen historischen
Gemäuern wiederholen. Wir haben nie etwas bemerkt. Als Junge bin ich überall
hingekommen und habe das Gewirr der Gänge und das Labyrinth der Katakomben
durchforscht. Es war eine schöne Zeit. Aber die Weiße Frau ist mir nie
begegnet.«
    »Sie sollten
froh darüber sein«, konnte sich Soiger nicht verkneifen zu sagen.
    »Sie glauben
an das Märchen, André?« Tullier zuckte die Achseln und zeigte sein
provozierendes Grinsen. »Nun, es gehört zu Ihrem Job. Schließlich müssen Sie
den Leuten was erzählen, die ihre Francs bezahlen. Es macht sich immer gut,
wenn es mystisch und geheimnisvoll wird.«
    »Warum
eigentlich die Bezeichnung Weiße Frau?« wollte das Mädchen wissen.
    »Sie trägt
ewige Trauer«, antwortete Soiger ernst aus dem Hintergrund, noch ehe Simon
Tullier eine Bemerkung machen konnte. »Es gibt unten im Ort Leute, die sich
noch an die Geschichten erinnern, alte Leute, die es von ihren Eltern gehört
haben.«
    »Es gibt dort
unten nur alte Leute. Und man darf sie nicht ernstnehmen. Burg Schwarzenstein
ist verrufen. Sie haben das Anwesen interessant gemacht. Aber das ist alles
Humbug, Vivi«, warf Simon Tullier ein.
    »Ich würde so
etwas nicht sagen, Monsieur«, murmelte Soiger. »Ein Funke Wahrheit steckt in
jeder Überlieferung. Auch in der Sage.«
    »Solange ich
die Weiße Frau nicht mit eigenen Augen gesehen habe, glaube ich auch nicht an
sie. Die Leute reden viel, und sie bilden sich dann viel ein. Ich glaube, jeder
klar und vernünftig denkende Mensch lacht über diese Kindergeschichten. Es ist
an der Zeit, daß dem Gerede vom Spuk auf Schwarzenstein endlich ein Ende
bereitet wird.«
    »Burg
Schwarzenstein«, echote die Dänin. »Ein merkwürdiger Name. Wenn man ihn hört,
muß man automatisch an etwas Finsteres, Undurchsichtiges denken.«
    Tullier
lachte. »Nur an die schwarzen Felsen hier, von denen die Burg ihren Namen
bekommen hat«, bemerkte er, und damit schien sich dieses Thema für ihn
erschöpft zu haben.
    Er kehrte an
den Tisch zurück, setzte die Tasse an die Lippen und trank den Rest Espresso.
    Gegen halb
neun verließen die beiden jungen Leute die Burg. Simon Lautrec Tullier stellte
in Aussicht, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten Tagen noch
einmal vorbeikommen werde.
    »Es ist nicht
ausgeschlossen, daß ich sogar heute nochmals reinschaue«, sagte er zum
Abschied, als er Soiger die Hand drückte. »Vielleicht treffe ich meinen Vater
dann.«
    Wenn der
junge Tullier so redete, dann zeigte das nur, wie sehr er in der Klemme saß. Er
brauchte dringend Geld! Wahrscheinlich hatte er in dieser Minute keinen

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