060 - Jenseits der Dämmerung
über die Frau wusste. Ihr Wahnsinn war eine Sache, aber sie schien auch über einen klaren Überlebenswillen zu verfügen, sonst wäre sie hier unten schon längst gestorben. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, diesen Willen zu aktivieren…
Etwas raschelte; ein Geräusch, als riebe jemand Sand über Steine. Es breitete sich in der Höhle aus, ohne dass Aruula seinen Ursprung entdecken konnte.
Nervös stand sie auf, machte einen Schritt zurück in den Raum und schlitzte mit der Schwertspitze eines der Polster auf. Stroh quoll ihr entgegen. Sie musste das Schwert beiseite legen, um die trockenen Halme ineinander zu verdrehen, bis sie einem Stab glichen.
Aruula zündete die Spitzen an der Kerzenflamme an, trat an das Metallgeländer und warf das brennende Stroh. Es beschrieb einen Halbbogen, flammte auf und erleuchtete den Boden unter sich. Aruula sah Schatten auftauchen, die fauchend in der Dunkelheit verschwanden, dann landete das Stroh auf dem Fels und verglühte.
Das Ganze hatte nur wenige Lidschläge gedauert, aber trotzdem wusste Aruula genau, was sie gesehen hatte.
Mols.
Sehr viele Mols…
***
»Da ist es.«
Peck zeigte auf einen Lichtfleck, der in der Dunkelheit hin und her geschwenkt wurde.
Wortlos rollten zwei Molunter Seile aus und kletterten zu Boden. Matt folgte ihnen, blieb, den Driller in der Hand, stehen und wartete, bis alle anderen das Dach verlassen hatten.
Erst dann schloss er zu Aiko auf und ging dem allein stehenden Haus entgegen.
»Sieht aus wie eine Villa«, sagte er.
»Aber eine sehr verfallene.« Aiko musste den Restlichtverstärker aktiviert haben, wenn er das erkennen konnte. »Das Dach ist teilweise eingestürzt, die Fenster sind kaputt und auf dem Grundstück liegen Trümmer. Ich glaube nicht, dass hier jemand lebt.«
»O doch«, widersprach ein Molunter, dessen Namen Matt vergessen hatte. »Hier lebt jemand.«
Er schien noch mehr sagen zu wollen, schüttelte dann jedoch nur den Kopf und blieb neben Ishmaal stehen. Der richtete seine Lampe auf einen Holzzaun, und Matt sah erneut Aruulas Namen und einen Pfeil, der zum Haus zeigte.
»Worauf warten wir noch?«, fragte er ungeduldig.
Ishmaal verschränkte die Arme vor der Brust. »Du wirst keinen finden, der da rein geht.«
Zustimmendes Gemurmel folgte auf diese Feststellung, nur Peck hielt sich abseits.
Was is t mit diesen Typen los?, dachte Matt, doch bevor er seinem Unmut Luft machen konnte, trat Quee vor.
»Es gibt zwei Dinge, vor denen wir uns fürchten«, sagte er. »Das eine ist der Große Weiße Mol, der unsere Gier eines Tages strafen und uns alle zu sich holen wird, das andere ist der Fluch von Mad Maadi.«
»Ein Fluch?« Aikos Skepsis war nicht zu überhören.
Quee hob die Schultern. »Ihr könnt darüber lachen, wenn ihr wollt, aber das ändert nichts an unserer Haltung. Wir betreten dieses Haus nicht.«
»Okay.« Matt nahm eine der Lampen, die auf dem Holzzaun standen, und überprüfte den Driller. »Dann gehen wir eben allein.«
»Nein, das wäre falsch.« Peck ging an seinen Männern vorbei und griff ebenfalls nach einer Lampe. »Ihr habt mir das Leben gerettet. Ich werde euch nicht allein gehen lassen.«
Er sah die Molunter erwartungsvoll an, aber die senkten nur den Kopf oder spielten nervös mit den Harpunenspitzen. Die Entscheidung ihres Anführers schien sie nicht zu inspirieren.
»Dann werde ich eben mit ihnen gehen.« Matt hörte das Zittern in Pecks Stimme, jedoch auch die feste Entschlossenheit, bei seiner Entscheidung zu bleiben. Er strahlte eine gewisse Würde aus, als er sich umdrehte und mit festen Schritten auf das düstere Haus zuging. Matt schloss sich ihm an.
»Die härtesten Kerle der Stadt«, sagte Aiko leise, »aber sie trauen sich nicht in ein altes verfallenes Haus. So hat wohl jeder einen wunden Punkt.«
»Ja, zumindest –«
»Wartet!«
Matt drehte sich um und sah Quee, der ihnen mit geschulterter Harpune entgegenkam.
»Du bist ein großer Stratege«, sagte er zu Peck, »aber du bist nichts ohne einen guten Harpunisten. Ich komme mit euch.«
»Vielleicht sollten wir weniger reden und mehr gehen«, sagte Aiko und sprach Matt damit aus der Seele. »Es ist nur ein altes Haus, mehr nicht.«
Wie zum Beweis stieß er die Tür auf und trat ein. Matt würgte trocken, als der Gestank ihn für einen Moment zu überwältigen drohte. Peck und Quee hielten sich dicht hinter ihm.
»Hier sind Fußspuren.« Aiko hielt die Lampe dicht über den Boden. Matt sah Schuhabdrücke, die sich im
Weitere Kostenlose Bücher