060 - Trip in die Unterwelt
konzentrierten sich auf die Insel und das näher kommende Monster. Es war aus irgendwelchen Tiefen des Mittelmeeres hier erschienen und hatte den See offensichtlich durch einen geheimen, weit unter dem Wasserspiegel liegenden Schacht erreicht.
Der Krake bildete mit seinen beiden aus dem Wasser züngelnden Armen Schleifen und Knoten. Sie hingen über der jungen Frau und der Insel. Dann senkten sich die langen Arme herab. Ihre Saugnäpfe öffneten und schlossen sich; sie waren hellrot und schleimig. Die Spitzen der Tentakel berührten die Frau. Sie sank in die Knie und ließ sich dann seitwärts fallen. Die Tentakel berührten das warme, feste Fleisch und liebkosten es.
Mir wurde übel, aber ich konnte meine Blicke nicht von diesem Bild wegreißen. Die Blonde wand sich und stöhnte vor Wonne. Der Krake schwamm langsam nach links und berührte mit den anderen, kürzeren Armen das Ufer. Der Leib, der wie ein unförmiger Sack voller Gas aussah, schabte an den Tropfsteinen. Ein Rachen wurde sichtbar. Zwei Augen von der Größe und Leuchtkraft von Unterwasserscheinwerfern schoben sich aus der schwarzen Brühe des Sees.
Am Ufer und auf dem Wasser hinterließ der Riesenkalmar eine dicke, glitschige Haut aus Schleim. Ich konnte deutlich erkennen, wie das Sekret aus abscheulichen Öffnungen abgesondert wurde. Der Schleim lagerte sich auf dem Sand, auf dem Wasser und den wachsenden Kristallen ab. Langsam und majestätisch, dabei immer mit zwei Tentakeln die Frau streichelnd und betastend, bewegte sich der Kalmar einmal rund um die Insel. Als er an der Stelle vorbeikam, an der ich mich zwischen scharfkantige Felsen und Tropfsteine presste, hielt er kurz inne und sah mich mit seinen riesigen Augen an. Es war ein seltsamer hypnotischer Blick. Aber ich war nicht sicher, ob mich die Bestie wirklich bemerkte. Sie glitt an mir vorbei.
Die Schleimspuren, die das Wasser überzogen, begannen zu erstarren und wurden milchig.
Ich erkannte, dass sich der Schleim langsam in Kristalle verwandelte. Inzwischen war das gewaltige Tier wieder auf der anderen Seite der Insel. Die Gefesselte stieß jetzt kleine, spitze Laute aus. Unausgesetzt fuhren die Enden der Fangarme über sämtliche Stellen ihres aufregenden Körpers, der sich in höchster Leidenschaft zwischen den brüchigen Knochen und grinsenden Totenschädeln wand.
Der Kalmar kam näher an die Insel heran. Sein Körper hob sich aus dem Wasser, das in breiten Bahnen, mit dem auskristallisierenden Schleim vermischt, von den Fangarmen, dem riesigen Sack und dem furchtbaren Gebiss tropfte. Hoch aufgerichtet stand er über der Frau. Jetzt legten sich drei der Arme um ihren Körper und wickelten sich langsam darum herum. Sie genoss diese tödliche Umarmung.
Alle Besessenen, die auf meiner Seite des Ufers standen, starrten schweigend und regungslos hinüber zu der Opferstätte. Von der jungen Frau war nur noch der Kopf zu sehen. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Das durch die tödliche Umklammerung nach hinten gerissene Haar zog den Kopf in den Nacken. Ihr Mund stand weit auf. Lustvolle Schreie waren zu hören.
Dann knackten Knochen. Der Rachen des Kalmars näherte sich dem Kopf der Unglücklichen, die auf dem Höhepunkt der Lust sterben musste.
Als die Albtraum-Bestie ihre grausige Mahlzeit begann, fuhr ich aus der Erstarrung. Plötzlich konnte ich mich bewegen.
Ich rannte, immer wieder im Sand ausrutschend, auf die Treppe zu und sprang wie ein Wahnsinniger die Stufen hoch. Hinter mir verklangen die Geräusche. Ein kleiner Schrei verfolgte mich die letzten Meter. Die Gefesselte hatte wohl im Augenblick ihres grausamen Todes gemerkt, dass die Welt ihrer Vorstellungen wie ein leuchtender Spiegel zerbrach.
Ich stolperte, stieß mir die Knie blutig, schrammte die Schienbeine auf, wusste indessen nicht genau, wohin ich eigentlich rannte.
Drei Gedanken wirbelten unablässig durch meinen Kopf: Angela würde das nächste Opfer des riesigen Kraken sein. Dorian Hunter war in tödlicher Gefahr. Und ich war ein Feigling, wenn ich ihnen nicht half.
Aber wie?
Ich erreichte meine Hütte, schloss hinter mir sämtliche Schlösser und Riegel, dann brach ich neben dem Bett zusammen.
Um sechs Uhr morgens erwachte ich. Mein Schädel dröhnte bei jedem Atemzug, als hätte ich mich maßlos betrunken. Mein Magen knurrte.
Das Zimmer stank nach allen erdenklichen Dingen, hauptsächlich nach kaltem Rauch und der erkalteten Asche im Kamin. Stöhnend erhob ich mich. Ich hatte in meiner Kleidung und mit den
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