060 - Trip in die Unterwelt
nassen Schuhen geschlafen.
Langsam und mechanisch zog ich mich aus und ließ, während das Kaffeewasser zu kochen begann, ein heißes Bad ein.
Was war geschehen?
Ich stieß die Läden auf. Helles Sonnenlicht flutete ins Zimmer und riss alle Gegenstände aus dem Halbdunkel. Zwei Alka-Seltzer halfen mir in wenigen Minuten, und das Schaumbad roch betäubend. Die Ereignisse der letzten Nacht waren irgendwie verblasst, obgleich ich mich an jede noch so winzige Einzelheit mit kristallklarer Deutlichkeit erinnern konnte.
Ich brauchte Hilfe. Denn ich steckte in einer hoffnungslosen Klemme. Das wurde mir bewusst, während ich mir einen höllisch starken Kaffee braute: Es gab kaum jemanden auf dieser Insel, der mir glauben würde. Jeder würde mich mit Recht für verrückt halten, wenn ich ihm diese Geschichte erzählte. Und die wenigen Einheimischen, die mir glauben würden, lebten in Angst und Schrecken und würden mich vermutlich verraten, schon deswegen, um nicht selbst geopfert zu werden. Sie wussten mehr, als sie zugaben, das war mir jetzt deutlich geworden.
Aber ich musste Angela und Hunter dort herausholen.
Ich war kein – wie hatte er sich genannt? – Dämonenkiller. Wer konnte mir also helfen? Und wer würde mir helfen? Niemand.
Ich trank zwei Tassen heißen, starken gezuckerten Kaffee mit Whiskey – dem letzten aus der Flasche –, zündete mir eine Zigarette an und rasierte mich langsam. Dabei dachte ich nach.
Sicher musste das Riesentier von Zeit zu Zeit in gewissen regelmäßigen Abständen Menschen bekommen, die es aussaugen und fressen konnte. Dadurch sicherten sich die Besessenen die Absonderung des Schleims. Der Schleim kristallisierte dann. Vielleicht war er eine Art Dünger für die steinernen Blumen, aus denen die Kristalle blühten. Konnte sein. Kannte ich die Gesetze dieser dämonischen Welt? Nein! Ich kannte sie nicht.
Noch lebte ich; noch war ich in der Lage, hier in meinem Morgenmantel zu sitzen, den blauen Himmel anzusehen und nachzudenken; noch hatte mein Verstand nicht gelitten; noch hatten mich die Dämonen nicht in ihrer Gewalt – und trotz des zweimaligen Eindringens der Besessenen war ich noch immer auf freiem Fuß.
Ich räumte flüchtig auf und blieb vor der Schreibmaschine stehen. Noch immer war derselbe Bogen eingespannt. Ich las kopfschüttelnd die Zeilen, die ich geschrieben hatte, riss den Bogen aus der Walze und knüllte ihn zusammen. Er flog als Knäuel in die weiße Asche des Feuers. Ich sah zu, wie der winzige Rest Glut das weiße Papier zuerst braun färbte und schließlich doch noch entzündete. Als das kleine Feuerchen wieder erloschen war, schraubte ich eine neue Flasche Whiskey auf, goss ein Wasserglas halb voll und schleppte mich ins Bad.
Es war eine kleine Erlösung, als ich mich in das viel zu heiße Wasser gleiten ließ. Ich spürte, wie die Wärme in meinen malträtierten Körper strömte, streckte mich aus, trank einen Schluck und rauchte. Meine verkrampften Muskeln lockerten sich langsam, aber mein Verstand weigerte sich zu vergessen.
Bisher hatte ich eine atemberaubende Geschichte erlebt. Sie enthielt Stoff für mehrere Horrorromane. Leider hatte alles einen großen Fehler: Diese Geschichte war die Wahrheit.
Ich kannte nur einen Teil der Geschichte. Wie ging sie weiter? Und wie endet sie?
Ich löschte die Zigarette und warf sie in die Klosettschüssel. Dann trank ich den Whiskey aus und begann mich zu schrubben.
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür.
»Nein!«, stöhnte ich auf.
Es war ein vorsichtiges, aber unerbittliches Klopfen. So meldete sich ein guter Freund, der genau wusste, dass der Besitzer im Haus ist.
Ich stand auf, rutschte aus und hielt mich an der Dusche fest. Dann wickelte ich mich in den Bademantel und trocknete meine Füße flüchtig ab.
»Einen Moment!«, rief ich und ging zur Tür, während ich den Gürtel verknotete.
Ich blieb kurz stehen, überlegte, dachte dann aber, dass bei diesem strahlenden Sonnenschein mich schwerlich Dämonen oder Maskentänzer heimsuchen und kidnappen würden. Die Nacht war die Zeit der bösen Geister. Dies war ein herrlicher windstiller Morgen.
»Augenblick noch!«, rief ich auf Deutsch, dann schob ich die Riegel zurück und drehte den Schlüssel herum.
Schon wieder knarrte die Tür. Ich sah geradeaus, blickte nach links, sah aber niemanden.
»Kleiner Scherz, wie?«, sagte ich laut.
Schulterzuckend schloss ich die Tür wieder, drehte mich um – und da sah ich sie stehen. Eine Frau – mehr
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