0600 - Jenseits des Lebens
unseren schattenhaften Gespenstern«, sagte Nicole. »Bist du sicher, daß Merlins Stern nicht einsetzbar ist?«
Zamorra erinnerte sich an sein letztes Abenteuer in England.
Da hatte Merlins Stern ihn zwar zu warnen versucht, aber auch nicht die Initiative ergriffen, als Lady Silvia Staker ihn in ihren Bann schlug und später der Dämon Dyonin erwachte.
»Probieren wir’s einfach mal aus«, murmelte er jetzt.
Ein Erfolg zeigte sich jedoch nicht. Was auf dem kleinen Totenacker geschehen war, blieb nach wie vor rätselhaft.
»Was werdet ihr jetzt tun?« wollte Pater Ralph wissen.
»Verstärkung anfordern«, meinte Zamorra. »Pater, tun Sie uns allen einen ganz großen Gefallen und schließen Sie das Tor zum Friedhof ab. Malen Sie ein Schild und hängen Sie’s auf, daß derzeit niemand den Friedhof betreten sollte. Wenn Sie dazu schreiben, daß es um magische Phänomene geht, werden Ihre Schäflein das am ehesten begreifen. Die haben schließlich wie wir alle schon früher ihre trüben Erfahrungen mit magischen Phänomenen gemacht. Das war noch, ehe Sie zu uns kamen.«
Pater Ralph nickte. »Erzählst du mir bei Gelegenheit davon?«
Zamorra lachte leise. »Jeder hier im Dorf kann Ihnen davon erzählen«, sagte er und nickte Nicole zu. »Ziehen wir uns erst mal zurück, um später wiederzukommen. Sieht so aus, als würde uns dieses Phänomen nicht davonlaufen…«
Als Nicole den BMW zum Château zurücklenkte, sagte sie:
»Vorhin, als du von den Skeletten gesprochen hast und dann dem Pater sagtest, die Menschen im Dorf hätten schon früher ihre Erfahrungen mit der Magie gemacht - hast du da auch an Leonardos Knochenhorde gedacht?«
Zamorra stutzte. »Leonardo de Montagnes Skelett-Krieger, die ihm Asmodis damals aus Höllen-Tiefen schickte? Nein, an die habe ich wirklich nicht gedacht, weil sie ganz anders waren als die Knochenmänner jetzt! Die Skelett-Krieger von einst, die hier den ganzen Landstrich terrorisierten, waren bösartig. Bei den jetzigen Skeletten konnte ich keine Bösartigkeit feststellen.«
»Aber sie haben dich angegriffen, wollten dich entführen und haben schließlich auch noch den Einsatzkoffer stibitzt. Das ist doch ebenso eine Tatsache wie die, daß du dich auf Merlins Stern schon lange nicht mehr verlassen kannst! Daß diese Silberscheibe nicht auf die Skelette reagierte, besagt doch überhaupt nichts!«
»Was mir mehr zu denken gibt als die Attacke dieser Knochenmänner, ist der seltsame Farbwechsel der Umgebung. Außerdem war ich doch für euch zeitweilig verschwunden, und meinerseits konnte ich auch keinen von euch entdecken! Das sieht nach einer Art Dimensionsüberlappung aus. So, als würden sich zwei Welten gegenseitig durchdringen…«
Und da fielen ihm die beiden Skelette wieder ein, die sich ebenfalls gegenseitig durchdrungen hatten.
Und er, Zamorra, war durch den Baum hindurch geschleudert worden!
Das war aber sicher nicht im Sinne seiner Beinahe-Entführer gewesen. Die hatten ihn nicht durch den Baum werfen wollen, sondern in den Lichtspalt hinein, der im Inneren des geöffneten Baumes entstanden war. In dem Inneren, das von außen erreichbar war!
»Inside-Out-Effekt…«, murmelte er, und damit hatte Zamorra dem Kind einen Namen gegeben.
Er begriff erst, daß er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, als Nicole ihn stirnrunzelnd von der Seite ansah.
»Das Äußere wird nach innen gekehrt, und vielleicht habe ich nur Skelette gesehen, obgleich es sich in Wirklichkeit um recht fleischumhüllte Gestalten gehandelt hat.«
»Die dann aber trotzdem für Pater Ralph und mich unsichtbar waren!«
»Jedenfalls stimmen bei diesem Phänomen die Naturgesetze nicht mehr«, erklärte Zamorra. »Was nicht komplett umgedreht ist, ist anderweitig verändert worden. Hier ist etwas ganz anderes am Werk als ein Dämonenangriff. Bleibt die Frage, warum es sich ausgerechnet hier abspielt und nicht irgendwo in der Welt.«
»Wenn’s der Fragen nicht mehr sind…« Nicole lenkte den Wagen souverän und mit hohem Tempo die Serpentinenstraße zum Château hinauf. »Es hat vermutlich eine Beziehung zu uns. Warum sonst hätten diese Skelette versuchen sollen, dich zu entführen?«
Zamorra wollte diese Perspektive auch nicht gefallen. »Aber warum erwischt es dann zuallererst eine unbeteiligte Person? Und warum spielt es sich auf dem kleinen Friedhof ab, statt in unmittelbarer Nähe von Château Montagne?«
Nicole zuckte mit den Schultern.
»Vermutlich werden uns noch ein paar beachtliche
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