0601 - Aibons Monster-Troll
mir spürte ich die Bewegung des roten Ryan, während das Monster es geschafft hatte, das dunstige Grün der Waldhöhe zu verlassen. Etwas streifte meine Schulter, dann hörte ich plötzlich die leisen Töne der Flöte.
Es war eine wie mir schien zaghafte Melodie, die er auf seinem Instrument intonierte. Überhaupt nicht aggressiv, eher verhalten, wie der Beginn einer Overtüre.
Der rote Ryan spielte bestimmt nicht aus Lust und Laune. Er wollte etwas damit bezwecken und möglicherweise eine Nachricht weitergeben, die ich nicht verstand.
Das Monstrum aber horchte auf. Hatte es seinen massigen Schädel bisher durch das Gras und dicht über den Boden geschoben, so hob es ihn nun an.
Das alles geschah mit schweren Bewegungen, als würde es ihm Mühe bereiten, und der rote Ryan spielte weiter.
In Germany gibt es die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln, der es durch sein Flötenspiel geschafft hatte, die Ratten der Stadt aus ihren Verstecken zu locken.
Hier war es ähnlich. Nur erschienen keine Ratten, dieses Spiel galt einzig und allein dem Monstrum, das dem Klang der Flöte folgte und brav wie ein Lamm wurde.
Der rote Ryan blieb nicht länger hinter mir sitzen. Mit einer geschmeidigen Bewegung sprang er zu Boden, blieb neben dem Tier für einen Augenblick stehen, bevor er sich in Bewegung setzte und direkt auf das breite Monstrum zuschritt.
Er ging ruhig, zeigte nicht die Spur von Furcht, was der Mutation wohl imponierte. Sie horchte nur dem Klang des Flötenspiels und bewegte sogar ihren massigen Schädel in einen bestimmten Takt.
Der rote Ryan umging das Tier. Mein Erstaunen dabei steigerte sich, als ich feststellte, wie das Monster dem roten Ryan und dem Klang der Flöte gehorchte.
Nicht nur seinen Schädel bewegte es, jetzt wurde der gesamte massige Körper erfaßt.
Schwerfällig und noch gegen den Boden gedrückt, wälzte er sich um, plättete das Gras, während der Spieler rückwärts schritt, weiterspielte, dabei nickte und von dem Monstrum verstanden wurde, denn er schob sich langsam vor.
Beide behielten ihre Distanz gleich. Die Bewegungen der Mutation glichen denen des Spielers. Sie trafen wunderbar zusammen, ich konnte nur staunen.
Auch über die Fingerfertigkeit des roten Ryan. Er bewegte sie virtuosenhaft, mit perfekter Leichtigkeit, so daß ich als Beobachter den Eindruck bekam, als würden die Kuppen die Löcher in der schmalen Flöte überhaupt nicht berühren.
Obgleich ich viel gewohnt war, ich sah diese Szene als ein wahres Phänomen an.
Der rote Ryan ging, das Monster folgte ihm, und beide verschwanden in eine Richtung. Bevor das Blätterwerk mir die Sicht auf den roten Ryan nehmen konnte, bewegte er seinen Kopf so, daß ich dies als Zeichen verstand.
Folge mir, hieß es.
Würde mir der Hirsch gehorchen?
Ja, er ging vor, hielt immer dieselbe Entfernung zu dem Monstrum.
Auch wenn ich mich in Aibon nur wenig auskannte, mir war trotzdem klar, daß uns der Weg direkt zum Herrscher dieses Gebietes bringen würde, zum Hook…
***
Sie konnte nicht einmal schreien. Jemand hatte ihr den Mund zugestopft.
Es war alles anders geworden, furchtbar, grauenhaft, und viel zu schrecklich.
Diana Lynn wußte nicht, was sie noch machen sollte. Schreien konnte sie nicht, sich auch nicht wehren, sie spürte nur den Druck dieser verdammten Zähne, die schmerzhaft in ihren Körper hieben, aber noch keine Wunden hinterlassen hatten.
Jemand hatte sie geholt, ein Monstrum, wie man es nicht einmal in Horrorfilmen sieht. Ein Wirklichkeit gewordener Alptraum, und er hatte sie einfach weggeschleift.
Es war der Moment gekommen, wo Diana einfach nur die Augen schloß, um nichts mehr sehen zu müssen. Sich einfach dem Schicksal zu ergeben, das war am besten. Irgendwann würde dieses grauenvolle Geschöpf, in dessen Maul sie quersteckte, zubeißen, dann war sie verloren. Dann war alles vorbei, aus, nicht mehr tragbar.
Aber es ging nicht vorbei. Die Stimmen der anderen hörte sie längst nicht mehr. Niemand war ihr zu Hilfe gekommen, und auch die Umgebung mußte eine andere geworden sein, denn Wärme streifte durch ihr Gesicht. Zudem nahm sie fremde Gerüche wahr.
Sie roch eine Natur, die sich aus schwerem Blütenduft und Fäulnis zusammensetzte. Eine Tatsache, über die sie zwar nachdachte, aber zu keinem Ergebnis kam, bis sie sich selbst überwand und die Augen öffnete.
Diesmal verließ ein leiser Schrei ihren Mund. Mehr auch nicht, die Überraschung klemmte ihr die Kehle zu.
Diana Lynn befand sich in
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