0602 - Brutstätte des Bösen
den Kopf. Enttäuscht ließ sie sich auf den Bettrand zurücksinken.
Je höher die Sonne stieg, um so mehr veränderte sich der Einfallswinkel ihrer Strahlen. Sie standen direkt auf dem kleinen Zellenfenster und heizten den engen Raum zwischen den vier Wänden auf. Nicht mehr lange, dann hatte er sich in eine Sauna verwandelt.
Glenda schüttelte den Kopf. »Verflucht noch mal, ich will hier raus. Ich will raus aus diesem Verlies!« Sie hatte zwar laut gesprochen, doch niemand kümmerte sich um sie, bis ungefähr eine Stunde vergangen war, da vernahm sie abermals die harten Schritte, die diesmal vor ihrer Tür stoppten.
Es drehte sich ein Schlüssel, dann stieß jemand die Tür auf, und Glenda erhob sich. Sie war in Form, sie wäre dem schwarzgelockten Carabinieri am liebsten an die Kehle gesprungen, der aber nahm Haltung an und sprach freundlich auf sie ein.
»Wenn Sie mir bitte folgen würden, Signorina Perkins…«
Glenda schüttelte den Kopf. »Was soll das denn heißen? Kommt ihr jetzt auf die weiche Tour?«
»Prego…«
Sie ging. Außerdem war sie froh, den Raum verlassen zu können.
Die Wachstube kannte sie bereits. In ihr war es nicht so heiß. Auf dem Schreibtisch stand unter anderem ein Ventilator, der sich drehte und ihr Luft entgegenblies.
Hinter dem Schreibtisch hockte der Chef. Die Uniformjacke hatte er ausgezogen, sein Hemd zeigte Schweißflecken. Vor ihm lagen Akten. Mit dem traurigen Ausdruck eines Seehundes schaute er Glenda entgegen, bevor er ihr den Platz auf einem harten Stuhl anbot. »Möchten Sie etwas trinken, Miß Perkins?«
Er sprach sogar Englisch und war stolz darauf, was sein Lächeln zeigte.
»Ja, Wasser, aber nicht aus der Leitung.«
»Naturalmente.« Er lachte. Glenda bekam ihr Wasser. Auf ihr Glas verzichtete sie, sie trank aus der Flasche. Die Brühe war nicht gerade kalt, aber sie löschte den ersten Durst.
»Mein Name ist Mandini, ich leite diese Station«, erklärte der Mann, als Glenda die Flasche abgesetzt hatte.
»Wie schön für Sie.«
Er schaute nach draußen, wo eine alte Frau Unkraut jätete. Die Sonne brannte dabei auf ihren Rücken. Es machte ihr nichts aus, sie arbeitete trotzdem weiter.
»Es tut mir leid, daß wir Sie nicht besser unterbringen konnten, aber Sie befinden sich hier nicht in Milano…«
»Leider nicht. Ich wollte, ich wäre schon dort.«
»Kommt Zeit, kommt Rat, Signorina. Wir haben uns natürlich mit Ihren Aussagen beschäftigt und auch mit Ihren persönlichen – wie sagt man noch dazu?«
»Daten!«
Er grinste breit. Auf seinem Gesicht erschienen Hunderte kleiner Falten. »Also, ich war überrascht, als ich Nachforschungen anstellte. Sind wir Kollegen?«
»Nein, nicht direkt.«
»Sie arbeiten für Scotland Yard?«
»Ich bin dort beschäftigt, und ich möchte Sie um eines bitten, Signore Mandini.«
»Aber gern.«
Glenda deutete auf das Telefon. »Ich muß jemand anrufen. Einen Kollegen, einen Oberinspektor, der John Sinclair heißt. Mir steht ein Anruf zu, wenn Sie…«
»Warum nicht? Telefonieren Sie. Auch zwei- oder dreimal, das spielt keine Rolle.«
Glenda schaute ihn erstaunt an. »Ach, woher der Umschwung? Gestern haben Sie mich behandelt wie eine Schwerverbrecherin.«
»Gestern war gestern, heute ist heute.«
»Das habe ich bemerkt.« Sie schaute zu, wie er ihr das Telefon zuschob. Es war schwarz, der Hörer glänzte fettig. Jedenfalls entdeckte sie entsprechende Fingerabdrücke.
Mandini zündete sich eine stinkende Zigarette an, während Glenda versuchte, Kontakt mit London zu bekommen. Beim vierten Anlauf klappte es schließlich, und sie war froh, direkt den richtigen Mann an die Strippe zu bekommen.
»John, ich stecke hier fest, du mußt sofort kommen.« Und dann sprach sie. Die Worte sprudelten über ihre Lippen wie ein Wasserfall. Sie redete bewußt so schnell, weil sie nicht wollte, daß dieser Mandini alles verstand. Sie erwähnte auch, daß es dringend war und redete zweimal vom Teufel. Als sie schließlich auflegte, tat sie es mit der Gewißheit, etwas in Bewegung gesetzt zu haben, denn John Sinclair würde kommen. Den Namen des Ortes hatte sie ihm auch mitgeteilt.
»Alles klar?« fragte der Polizist.
»Si, Signore. Jemand vom Yard wird so rasch wie möglich hier sein und sich um mich kümmern.«
»Das finde ich gut. Aber wir hätten Sie auch allein Weiterreisen lassen können.«
»Stehe ich nicht mehr unter Verdacht?«
Mandini hob die Schultern und wiegte dabei seinen Körper. »Wissen Sie, es ist sehr
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