0602 - Brutstätte des Bösen
habe ich tatsächlich gemeint.«
Locker winkte Glenda ab. »Das müssen Sie nicht so tragisch sehen, Signore. Ich habe einige Male gefl…«
Sein Finger stach ihr entgegen. Der Nagel war rund und wirkte wie angekaut. »Stimmt nicht, Signorina. Ich spreche ihre Sprache nicht perfekt, aber ich habe einiges von dem verstanden. Für Sie gibt es eine gewisse Theorie.«
»Dann bin ich gespannt.«
»Bene, ich sage Sie Ihnen. Dieser Mord an dem Mönch ist nicht mit rechten Dingen zugegangen. In dem an sich guten Christenmann steckte das Böse. Es hat ihn regelrecht überschwemmt. Er ist verloren gewesen, denn er hat seinen Glauben nicht mehr gehabt.«
»Das sehe ich nicht so.«
Mandini schüttelte den Kopf. »Ich aber. Außerdem habe ich Nachforschungen anstellen lassen, was ihn und seine Herkunft betrifft. Wir hatten Erfolg.« Der Polizist senkte seine Stimme. »Er kam aus dem Kloster Santa Lucca.«
»Sagt mir nichts, der Name«, log Glenda. »Was soll das?«
»Santa Lucca hat einen Ruf.«
»Den haben viele Klöster.«
»Stimmt, nur ist dieser Hort sehr abgeschieden. Die Menschen in der Umgebung sind der Meinung, daß dort etwas Schreckliches geschehen ist. Daß der Teufel eventuell…« Er lachte plötzlich. »Aber das sind Spekulationen. Ich will Ihnen keine Furcht einjagen.«
»Das ist auch schlecht möglich, weil ich einfach an diese Dinge nicht glaube.«
»Aber es gibt das Böse.«
»Klar, bei Ihnen ist es die Mafia.«
Mandini schüttelte den Kopf. »Ach, hören Sie doch auf. Entweder wollen Sie mich nicht verstehen oder…«
»Ich bin einfach müde.«
»Dann sollten Sie sich hinlegen.«
»Ich darf mich für das exzellente Essen bei Ihnen bedanken, Signore Mandini. Es ist lange her, daß ich so was Gutes bekommen habe.«
»Sagen Sie es meiner Schwägerin.«
Die betrat soeben den Raum, beladen mit einer Flasche Grappa und zwei Gläsern. Der Grappa war vom Feinstem, ziemlich alt schon, besaß eine grüngelbe Farbe und schimmerte ölig, als die Frau ihn lächelnd in die Gläser schenkte.
»Der Abschluß eines guten Essens.«
Auch Glenda trank. Er rann in die Kehle wie Öl, das anfing zu brennen. Aber er tat gut, war genau das richtige nach dem opulenten Mahl und dem Espresso.
»Sie sind ja noch etwas hier«, sagte Mandini. »Da können Sie es sich überlegen.«
»Was denn?«
Er beugte sich vor. »Die Sache mit dem Teufel, meine Liebe. Ich bin sicher, daß etwas dahintersteckt. Da fällt mir noch etwas ein. Wir haben uns erkundigt. Sie sind beim Yard nicht unbekannt, und der Mann, der zu uns kommen wird, ist auch etwas Besonderes, was seinen Beruf angeht. Soll ich noch mehr sagen?«
Glenda lachte. »Wenn Sie wollen.«
»Später. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Ruhe.« Er stand auf, verbeugte sich und ging.
Glenda blieb allein zurück. Vor ihr stand noch der Grappa. Sie überlegte, was sie tun sollte. Ihm die Wahrheit sagen oder Johns Ankunft abwarten.
Eine Entscheidung zu treffen, schaffte sie nicht. Das Essen, der dazu getrunkene Alkohol, all diese Dinge hatten sie verändert und ihre Gedanken schwer gemacht.
Die Lider waren wie Blei, hinzu kam die Ruhe im Raum. Wenn sie noch lange sitzenblieb, würde sie hier am Tisch einschlafen.
Das wollte Glenda auf keinen Fall.
Müde und langsam drückte sie sich in die Höhe, reckte sich, gähnte und traf in der kleinen Halle die Schwägerin des Kommissars.
Oben spielte jemand Klavier, schwermütige Melodien, die das ganze Haus ausfüllten.
»Oh, Signorina, Sie sind aber müde.«
»Da sagen Sie was.«
»Gehen Sie schlafen. Der Herrgott wird über Sie wachen.«
»Grazie.«
Die Stufen nach oben kamen ihr endlos vor. Glenda öffnete die Tür, betrat den kühl gebliebenen Raum und überlegte noch, ob sie sich ausziehen sollte.
Dabei starrte sie auf das Bett. Es wirkte wie ein Magnet. Nein, sie zog sich nicht aus. Schwer ließ sie sich drauffallen und streifte nur die Schuhe von den Füßen.
Der Klavierspieler ließ seine Finger noch immer über die Tasten gleiten. Es störte Glenda nicht, weil sie einfach zu müde war. Sie hatte das Gefühl, von den Klängen hinweggetragen zu werden, immer weiter weg, hinein in eine Welt, die dunkel war und Schlaf genannt wurde.
Manche Ärzte sagen, daß schweres Essen Alpträume verursachen kann, wenn man sich nach der Mahlzeit sofort hinlegt.
Glenda merkte, daß die Ärzte nicht gelogen hatten. Sie träumte tatsächlich, und sie träumte schlimm, denn immer wieder erschien ihr die Gestalt des Mönchs.
Sein
Weitere Kostenlose Bücher