0604 - Das steinerne Volk
Windschutzscheibe, Reifen und auch Zamorra!
»Nein«, flüsterte sie. »Verdammt noch mal, nein! Ich glaub’s einfach nicht!«
Es war ein Fehler gewesen, Zamorra in den Jeep zu hieven.
Sie hätte zuerst versuchen sollen, die Statue der alten Dame hinauszuwerfen. Die Hilfe, die die Steinlady gewährt hatte, war nur ein Trick gewesen, Zamorra endgültig in die Gewalt der Unheimlichen zu bringen!
Jetzt war alles zu spät!
Zamorra war ein Opfer der Steinernen geworden.
Das Feuer auf dem Rasen breitete sich aus. Das Gras war durch die Sommerhitze sehr trocken. Es entstand ein Flächenbrand, der möglicherweise auch auf den Wald übergreifen würde.
Und die Steinernen kümmerten sich nicht darum! Sie schritten durch die Flammen hindurch!
Und sie kamen weiter auf Nicole zu!
Wo sie sich bewegten, erloschen die Flammen um sie herum sogar. Aber das war nur wie der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Das Sperrfeuer, das Nicole geschaffen hatte, weitete sich aus.
Der steinerne Jeep fuhr an!
Wie das möglich war, begriff Nicole nicht. Aber sie begriff ja auch nicht, wie sich steinerne Statuen bewegen konnten. Sogar die Kleidungsstücke, die die meisten Figuren trugen, bewegten sich so, wie es normale Kleidung aus Stoff auch getan hätte!
Der Jeep fuhr in Richtung Haus, direkt zur Veranda. Aus dem Wohnzimmer schlugen die Flammen jetzt wild und ungezügelt.
Zamorra hatte es als zweidimensional bezeichnet. Nicole fragte sich, was nach dem Feuer übrigbleiben würde. Zeigte sich dann die andere Seite des Hauses, oder kam dort nur unbegreifliches Nichts, wenn das Gebäude niederbrannte?
Völlig unwichtig! Nicole rief sich zur Ordnung. Wichtig war, daß sie sich jetzt in Sicherheit brachte.
Zamorra konnte sie nicht mehr helfen. Er war zu Stein geworden und jetzt möglicherweise sogar ihr Feind.
Sie bückte sich nach dem Blaster, hob ihn auf und begann dann zu laufen.
Auf den Waldweg zu, der von hier fortführte. Sie konnte es schaffen, zur Straße zu kommen, ehe das Feuer den Wald erreichte. Wenn sie das Glück hatte, jemanden an der Straße zu treffen, gab es vielleicht sogar noch eine Chance, die Feuerwehr rechtzeitig zu alarmieren.
Nicole rannte immer schneller, trotz der lähmenden Leere, die sich in ihr breitmachte. Die Leere, die durch Zamorras Ende ausgelöst worden war. Es war ihr, als sei sie selbst gestorben und nicht er.
Die Steinfiguren blieben hinter ihr zurück.
Immer noch versuchte keine von ihnen, sich Nicole per Teleportation in den Weg zu stellen.
Was hatten die Steinernen vor? Sie konnten das Menschenwesen doch nicht einfach entkommen lassen! Das war völlig unlogisch!
Sie erreichte den Waldweg. Lief immer weiter, ignorierte die Seitenstiche, die ihr schmerzhaft begreiflich machen wollten, daß es so nicht mehr lange weiterging. Aber das Wissen, daß hinter ihr das Feuer immer größer wurde, beflügelte sie.
Angst war schon immer der beste Antrieb gewesen…
Überall, wo die Steinernen waren, verlosch das Feuer. Viele von ihnen bewegten sich so über den Rasen, daß die Flammen gelöscht wurden. Es war eine schwierige, zeitraubende Aufgabe, weil immer wieder Glutnester aufglommen.
Wortlos teilten die anderen des Volkes Zamorra mit, wie es möglich war, das Feuer einzudämmen.
Und er erfuhr noch mehr.
Es war eine Zwischenwelt, in die Nicole und er geraten waren. Eine Welt, die überall zugleich und doch nirgendwo war. Eine Welt jenseits der Erde, aber nicht weniger real. Nur lebten hier keine Menschen, sondern - Steine.
»Vielleicht«, sagte Walker, der sich zu ihm und der alten Frau ans Auto gesellte, »vielleicht waren wir vor Jahrhunderttausenden einmal Menschen. Vor Jahrmillionen, vor Jahrmillarden.«
»Vor Milliarden von Jahren gab es noch keine Menschen auf diesem Planeten«, erwiderte Zamorra.
Eine weitere Statue kam zu ihnen. Eine der unbekleideten männlichen Figuren, die Nicole gestern als ›fesche Jungs‹ bezeichnet und bedauert hatte, daß sie aus Stein und nicht aus Fleisch und Blut waren.
Wenn sie wüßte…
Wenn sie mit den Augen der Steinernen sehen könnte, würde sie alles ganz anders wahrnehmen. So, wie es jetzt auch Zamorra tat.
Die Windschutzscheibe aus Stein war für ihn durchsichtig und zeigte ihm jetzt die nahende, ebenfalls nackte Frauenstatue. Sie war wunderschön.
Zamorra hoffte, daß sie keinen festen Partner hatte. Er wünschte, mit ihr Zusammensein zu können.
Nun, zur Not würde er den Rivalen töten müssen, um sie für sich zu gewinnen.
Die
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