0605 - Das Gespenst vom Tower
Kind. Es ist schon lange her, sehr lange. Was sollte sie auch tun? Es gab keine Spezialabteilungen, die sich um solche Taten gekümmert hätten. Nein, auf sie kannst du nicht bauen, Kind. Bitte, verlasse die Wohnung und das Viertel.«
»Das hättest du auch den anderen sagen müssen, Großvater.«
»Sie sind nicht meine Enkel, sie sind nicht mit mir verwandt, Conchita.«
»Und du willst dich dem Grauen allein stellen – oder?«
Er lächelte schmal. »Ich glaube nicht, daß ich mich dem Grauen allein zu stellen brauche. Ich ahne, nein, ich weiß, daß ich noch Besuch bekommen werde.«
Sie lächelte spöttisch. »Du setzt viel Vertrauen in die beiden Polizisten, das muß ich schon sagen.«
»Sie sind es wert, Conchita.«
Das junge Mädchen staunte. So hatte es seinen Großvater selten über Fremde sprechen hören. »Bist du denn so davon überzeugt, daß die beiden es schaffen können?«
Er stand auf. »Wenn es jemand schafft, dann nur sie, mein Kind. Sie sind zwar keine Caribeans, aber sie kennen sich aus, und es sind keine Ignoranten.«
Conchita hob die Schultern. »Na ja, du hast deine lange Erfahrung, da muß ich zurückstehen.«
»Dafür liegt dein Leben noch vor dir.« Er legte beide Hände auf ihre schmalen Schultern, und sie preßte sich für einen Moment an ihn. Conchita genoß das Gefühl, die Nähe des anderen zu spüren.
Im Gegensatz zu vielen Menschen ihrer Generation, gehörte sie zu denen, die ihre Familie liebten. Das zeigte sie auch immer wieder.
»Soll ich denn wirklich gehen, Großvater?« fragte sie leise. »Muß ich von hier fort?«
»Es ist besser.«
»Aber wenn die beiden kommen, bin ich doch beschützt.«
»Sie können nicht überall sein.«
»Aber sie wollen dich besuchen.«
»Da hast du recht.«
»Also warte ich mit dir zusammen auf die Leute. Bitte, Großvater.«
Schon als Conchita noch ein Kind gewesen war, hatte er ihr keinen Wunsch abschlagen können. Daran hatte sich auch im Laufe der Jahre nichts geändert. Er merkte selbst, wie sein Widerstand zusammenschmolz und er nickte.
»Darf ich?«
»Meinetwegen, bleibe hier. Aber halte dich in meiner Nähe auf. Gehe nicht allein fort.«
»Das verspreche ich.«
Nunoz drehte sich um. Mit schweren Schritten ging er zur Tür und blieb auf der untersten Treppenstufe stehen. Er hatte den Kopf angehoben und schnüffelte.
»Was hast du, Großvater?«
Der alte Mann legte die Stirn in Falten. »Riechst du das Feuer nicht, meine Kleine?«
»Doch…«
Er lächelte. »Meine Worte haben gefruchtet. Ich sprach mit Luella. Sie hat geredet, jetzt wollen sie die Dunkelheit aufhellen…«
»Wirklich nur das?«
»Wie meinst du?«
Conchita faßte ihren Großvater an. »Sind es nicht die Voodoo-Feuer? Haben sie nicht einen bestimmten Geruch? Sei ehrlich, bitte! Sind es nicht die Feuer?«
Er nickte. »Ja, es sind die Feuer. Bitte, sei so gut und hole meine Trommel.«
»Und dann?«
»Werde ich den Zombie herlocken! Er kann nicht anders. Er muß kommen; der Klang zwingt ihn dazu.«
Conchita verschwand. Bevor sie die Trommel hochnahm, strich sie mit ihren Handflächen über die Bespannung und hatte das Gefühl, Menschenhaut zu streicheln.
Auf ihren Rücken legte sich eine Gänsehaut…
***
Es war schon spät, trotzdem hatte ich unseren Chef, Sir James Powell, angerufen und ihm erklärt, um was sich der neue Fall drehte.
Der Superintendent war erstaunt gewesen.
Ein Zombie im Tower, in dieser altehrwürdigen Festung, vor der jeder echte Brite strammstand, das riß ihn fast von den Beinen. Das war schon mehr, als ein Mensch verkraften konnte.
»Und Sie sind sicher, John?«
»Natürlich, Sir.« Er hörte sich noch an, was wir vorhatten und erkundigte sich, ob Streifenwagen das Gelände sicherheitshalber abriegeln sollten.
»Nein, Sir, das wird nicht nötig sein. Soweit sind wir noch nicht. Ich hoffe nur, daß ich ihn dort fangen kann. Wenn nicht, müßte ich in den Tower.«
»Oh, das ist nicht einfach.«
»Sir, ich weiß selbst, daß er in der Nacht verschlossen ist, aber es muß ein Schlupfloch geben. Schließlich kommt der Zombie hinein.«
»Gut. Sicherheitshalber allerdings werde ich mit Cyril Meats telefonieren.«
»Wer ist das denn?«
»Der Schließer des Tower. Mr. Meats trägt die Verantwortung. Ich kenne ihn und bereite ihn so sanft wie möglich darauf vor. Versuchen Sie aber, ihn woanders zu stellen und zu vernichten.«
»Keine Sorge, wir geben unser Bestes.«
»Und sagen Sie mir Bescheid, wenn alles vorbei
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