0605 - Das Gespenst vom Tower
starrten uns an. Die zweite Gruppe überquerte soeben die Fahrbahn, so daß wir in die Mitte genommen werden konnten.
Jugendliche, Männer und Frauen – es waren fast alle Altersschichten vertreten.
Suko und ich standen mit den Rücken zueinander und schauten in verschiedenen Richtungen. Er schaute zum Gehsteig hin, mein Blick fiel auf die Straße, wo eine Gruppe stand, aus der sich eine Frau löste und zwei Schritte auf mich zukam.
Sie war alt, die Haut sah faltig aus, aber die Augen leuchteten noch voller Kraft.
Ich nickte ihr zu. Gleichzeitig hörte ich auch das Trommeln. Es war gar nicht mal so weit entfernt. Da wußte ich, daß Nunoz dabei war, seine Voodoo-Trommel zu schlagen.
»Was wollt ihr?« fragte sie. Es war still geworden, so daß ein jeder die Stimme der Frau hören konnte.
Ich sagte Sukos und meinen Namen, kam aber nicht dazu, noch etwas hinzuzufügen, denn sie redete schnell weiter.
»Ihr paßt nicht zu uns, verstanden? Ihr gehört nicht hierher. Merkt euch das!«
»Weshalb nicht?«
»Nein, nein«, sagte sie. »Das gefällt mir nicht. Es… ist einfach schlimm. Ihr seid Weiße, ihr seid Menschen, die auf uns herabschauen. Geht wieder, laßt uns allein.«
»Wir müssen bleiben!«
Sie funkelte mich an. »Weshalb? Weil ihr Polizisten seid, die alles besser können?«
»Nicht alles«, erwiderte ich und deutete auf die Feuer. »Aber wir haben uns ebenfalls mit dem Zauber beschäftigt, der euch die großen Sorgen bereitet.«
»Tut er das?«
»Ja, denn es geht um Voodoo und um die Zombies. Oder einen Zombie, genauer gesagt.«
Da war sie still. Auch die übrigen Menschen verharrten in einem entsetzt wirkenden Schweigen. Sie mußten erstaunt sein, daß ich soviel wußte. Nur das leise Fauchen der Flammen hörten wir, selbst Atemgeräusche waren kaum zu vernehmen. Die Geräusche der anderen Straßen drangen nur schwach an unsere Ohren.
»Weißt du nun Bescheid?« fragte ich die alte Frau.
»Ja, natürlich…«
»Laß dich nicht von denen fertigmachen, Luella.«
Die Stimme gehörte einem Mann, und der hatte aus dem Hintergrund gerufen, wo er seinen Platz verließ und sich vordrängelte. Er trug ein T-Shirt und einen Schmuck, der sich aus kleinen Totenschädeln zusammensetzte, die einen Kreis bildeten. Seine Hände waren ebenso mächtig wie die Muskeln. In seinen Augen funkelte die Wut. Er spreizte die Hände.
»Mit ihnen werde ich euch die Hälse umdrehen, wenn ihr nicht verschwindet. Dieses ist kein Ort für Bullen, das ist auch keine Zeit dafür.«
Ich hielt dem Blick stand. »Hören Sie, Mister, wir werden nicht verschwinden. Wir werden unserer Aufgabe nachgehen und mit einem Bekannten sprechen.«
»Hier kennt niemand weiße Polizisten«, sagte Luella.
»Auch Nunoz nicht?« rief ich laut, so daß jeder die Worte hatte hören können.
Die Pranken des Kerls vor mir sanken nach unten. Lauernd starrte er mich an. »Was hast du über Nunoz gesagt?«
»Ich will ihn besuchen, er erwartet uns.«
»Nein!«
»Doch, er erwartet die beiden!« Jemand lief mit hastigen Schritten über die Straße. Ein junges Mädchen, dessen buschiges, schwarzes Haar wehte. »Ich habe es gehört, er hat mit mir darüber gesprochen, wirklich, das müßt ihr glauben.«
»Geh, Conchita geh.« Der Sprecher wollte nach ihr fassen, ich war schneller und zog sie an mich.
»Ruhig, Mister, ganz ruhig. Du kannst hier nur verlieren, wenn du dich aufregst und versuchen solltest, Gewalt anzuwenden. Sie hat nämlich recht, wir sind mit Nunoz verabredet.«
»Ja, mein Großvater erwartet die beiden.«
»Weshalb?« rief Luella. »Was will er mit den Weißen? Wir haben doch genug von ihnen.«
Conchita war anderer Meinung. »Er vertraut ihnen, verdammt! Ja, er hat zu ihnen vollstes Vertrauen. Ich habe mit Großvater darüber gesprochen. Es ist so, wie ich es euch sage. Ihr müßt mir glauben, wirklich. Es gibt keine andere Möglichkeit. Er hat ihnen doch gesagt, daß sie herkommen sollen.« Conchita faßte meine Hand an.
»Kommt mit, ich werde euch zu ihm bringen.«
Alle hatten sie ihre flammende Rede gehört, doch niemand rührte sich. Conchita war es leid. Sie zog mich einfach mit sich. Ich war darauf gefaßt, hart und schnell reagieren zu können, was ich nicht brauchte, denn die Worte waren wohl auf fruchtbaren Boden gefallen. Unsicher und schweigend schufen uns die Leute Platz.
Hinter mir hörte ich Sukos Schritte. Er holte uns ein und blieb an unserer Seite.
Die Menschen gingen auf Nummer Sicher. Sie blieben in
Weitere Kostenlose Bücher