0608 - Wo die Leichenfresser hausen
anfangen. Das stinkt ja schlimmer denn je!«
Er deutete naserümpfend auf Vargaz’ linkes Bein.
»Fahrt ruhig fort, mich zu beleidigen, elende Landratte«, knurrte der Kapitän. »Ich werde Euch dafür bei Gelegenheit nur ein wenig erschlagen.«
»Wie kommt Ihr überhaupt an diesen ungastlichen Ort voller Schlangen, lästiger Käfer und Stechfliegen, die - dem Herrn sei’s gedankt - wenigstens meinen Heldenbart nicht durchdringen können? Seid Ihr ebenfalls von Geisterhand aus dem Schiff entführt worden?«
»Ja. Ich erreichte den Strand und sah, wie das Schiff auflief, zerschmettert wurde und nach der Explosion der Pulverkammer in Rauch und Flammen aufging. Mag die Besatzung aus Geistern bestanden haben - das Schiff war jedenfalls aus echtem, massiven Holz.«
Er fuhr damit fort, die Begegnung mit Zamorra, Nicole und dem Gnom zu schildern.
»Wobei nicht nur die Kleidung dieser Leute recht seltsam war, sondern auch ihre Art zu sprechen. Und dann nannte er sich und seine Begleiterin mir gegenüber Zamorra deMontagne und Mademoiselle Duval, aber diesem Räuberhauptmann deDigue und seiner Soldateska gegenüber stellte er sich als Júan Zamora y Montego und Nicoletta Duvalier vor…«
»Also doch!« stieß Cristofero hervor.
»…und wenn ich’s recht bedenke«, fuhr Vargaz derweil fort, »könnte dies Ding, das Ihr da bei Euch tragt, durchaus zu diesen Fremden passen.«
Er deutete auf den Blaster, den Cristofero hinter seinen breiten Ledergürtel gesteckt hatte.
»Kann es sein, daß Ihr jene Leute kennt oder Ihnen schon einmal begegnet seid?«
Don Cristofero nickte bedächtig.
»Oh, ich kenne sie sehr gut. Wundert euch nicht über Aussehen und Sprache. Sie kommen von weiter her, als Ihr es Euch in Euren kühnsten Alpträumen vorstellen könnt. Zamorra deMontagne, das ist sein richtiger Name, aber bei Hofe kennt man ihn als Júan Zamora y Montego, und er ist der wirkliche Meister des Übersinnlichen. Ich ahnte, daß er eines Tages zurückkehren würde, aber ich hätte nie gedacht, daß er mich hier auf Espanola aufspüren würde. Aber… nanntet Ihr nicht gerade den Namen deDigue?«
»Eben diesen nannte ich. Ein Schurke, wohl schlimmer als alle anderen Adligen, der…«
»He! Vergreift Euch nicht im Ton, Capitano!« warnte Cristofero. »Ihr wißt wohl, zu wem Ihr redet!«
»Zu einem weiteren adligen Schurken«, sagte Vargaz, »dem es Spaß macht, mir ständig zu raten, ich solle mich verkrüppeln lassen, nur weil mein Bein ein wenig schmerzt. Aber dieser deDigue ist noch schlimmer, der schimpfte mich gleich einen lügnerischen Piraten und wollte mich aufhängen lassen! Doch als er zunächst diesen Zamorra niederschoß, da packte mich etwas Seltsames, etwa wie beim ersten Mal, als ich aus dem Schiff gezerrt wurde, und ich fand mich hier mitten im Unterholz liegend wieder. Gerade wollte ich mich vom Boden erheben, als es Euch einfiel, ungeschickterweise über mein Bein zu fallen.«
»Ich wäre nicht darüber gestürzt, wenn Ihr’s Euch unlängst vom Medicus hättet abnehmen lassen. Mann, es stinkt nicht nur gewaltig, es vergiftet auch Euer Blut.«
»Was wißt Ihr schon davon?« ächzte Vargaz. »Ihr seid kein Arzt.«
»Aber ich bin ein Mann, der sich von jeher mit allerlei Arten der Wissenschaft befaßt. Ich habe sehr viel gelernt, und deshalb habe ich anderen auch sehr viel zu sagen.«
»Dann sagt’s halt den anderen, aber gefälligst nicht mir.«
Don Cristofero wandte sich schulterzuckend zur Seite. Er spähte wieder in die Richtung, aus der er gekommen war. Aber er konnte keinen Verfolger entdecken.
»DeDigue«, murmelte er. »Es kann nicht sein. Er kann einfach nicht hier sein. Er hätte viel schneller fahren müssen als wir, denn er war noch in Frankreich, als wir abreisten, und sein Schiff hatte garantiert keinen besseren Wind. Er muß wahrlich mit dem Teufel im Bund sein, dieser elende Halunke und Intrigant.«
»Ihr scheint ihn ziemlich zu hassen«, bemerkte Kapitän Vargaz.
Cristofero fuhr wieder herum. »Dieser Lump trägt die Schuld daran, daß ich hier bin. Ohne seine Intrigen wäre ich nach wie vor am Hofe des Königs als Berater tätig! Aber deDigue hat dafür gesorgt, daß man mich hierher schickte. Schön, Louisiana zu befrieden, das ist auch eine nette Aufgabe, aber man hat dabei so viel mit dem stinkenden Pöbel zu tun. Es ist eine unkultivierte Wildnis voller Räuber und gefährlicher Eingeborener, die nur darauf warten, einem den Rücken mit Pfeilen und Speeren zu spicken oder
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