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0608 - Wo die Leichenfresser hausen

0608 - Wo die Leichenfresser hausen

Titel: 0608 - Wo die Leichenfresser hausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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einfach davonlaufen und die anderen sich selbst überlassen. Sie hatten ihm schon so oft geholfen - er hatte eine große Schuld zu begleichen.
    Aber selbst ohne diese Schuld wäre es nicht seine Art gewesen, andere hilflos ihrem Schicksal zu überlassen. Das traute er nicht einmal seinem Herrn Don Cristofero zu.
    Allmählich kam der schwarze Gnom wieder zur Ruhe. Das schnelle Laufen strengte ihn weitaus mehr an als einen normalgewachsenen Menschen. Die starke Rückenverkrümmung, unter der er seit seiner Geburt litt, sorgte dafür, daß seine Lungen dabei eingedrückt wurden.
    Gesicht und Hände waren zerkratzt, seine Kleidung an verschiedenen Stellen aufgerissen, wo er an Ästen und Zweigen, Dornen und Stacheln hängengeblieben war während seiner Flucht.
    Es war ein Fehler gewesen, direkt in den Wald hineinzulaufen, er hätte eher in Strandnähe bleiben sollen.
    Auch da gab es zwischen den Felsbrocken und im dichten Bewuchs Möglichkeiten, unterzutauchen.
    Aber er war nur blindlings davongerannt, ohne wirklich zu wissen, wohin. Daß er sich nun mitten im Wald befand, das wurde ihm erst jetzt bewußt.
    Fasziniert beobachtete er eine Schlange, die sich an einem Ast entlangwand. Sie ignorierte ihn völlig.
    Irgendwo schrie ein Tier.
    »Ich muß wieder zurück«, flüsterte er. »Ich muß doch versuchen, ihnen zu helfen!«
    Vorsichtig bewegte er sich in seiner eigenen Spur zurück, ständig darauf gefaßt, Verfolgern zu begegnen. Er begriff nicht, daß man ihn einfach in Ruhe ließ. Schließlich mußten sie in ihm doch eine Bedrohung sehen.
    Oder verfolgten sie ihn deshalb nicht, weil sie Angst vor ihm hatten?
    Unter anderen Umständen hätte ihm das vielleicht sogar geschmeichelt. Einmal Macht besitzen und von anderen gefürchtet zu werden - wenigstens ein einziges Mal in seinem Leben!
    Ein Traum, nicht mehr. Der Traum eines Menschen, der ständig getreten und geknechtet worden war, dem man offene Verachtung entgegenbrachte, und das nur, weil er anders war.
    Weil er kleinwüchsig und bucklig war, weil seine Haut unerklärlicherweise tiefschwarz war.
    Jetzt aber bedauerte er es, daß sie ihn fürchteten. Denn Angst erzeugt Haß, und sie würden ihn jagen und erschlagen, ohne lange darüber nachzudenken.
    Und dann war da auch noch dieser Lump deDigue. Dieser Schurke, der ständig gegen Don Cristofero intrigierte.
    Nach einer Weile erreichte der Gnom den Waldrand. Er sah den Baum, an dem man ihn aufhängen wollte.
    Doch es war niemand mehr da.
    Die Soldaten und deDigue waren verschwunden.
    Aber auch der Professor und Mademoiselle Duval…!
    ***
    Alfonso Vargaz hieb mit seinem Säbel wild um sich. Don Cristofero war stehengeblieben und sah ihm kopfschüttelnd zu.
    »Er ist übergeschnappt«, brummte er. »Er hat den Verstand verloren. Er hat einen Koller.«
    Dort, wo Vargaz auf die wuchernden Pflanzen einschlug, befand sich tatsächlich niemand. Er schlug Breschen in den dichten Wildwuchs, aber das war auch schon alles.
    Nach einer Weile hinkte der Kapitän zu Cristofero zurück.
    Sein Gesicht glänzte schweißnaß, und in seinen Augen brannte ein eigenartiges Feuer.
    »Ich habe sie verjagt!« triumphierte er.
    »Natürlich«, spottete Cristofero. »Ihr seid ein Held.«
    »Und Ihr ein feiger Hund, daß Ihr mich den Kampf allein habt ausfechten lassen«, knurrte der Kapitän.
    Unwillkürlich hob er seinen Säbel. Er rechnete wohl damit, daß sich der Grande diese Beleidigung nicht einfach so gefallen lassen würde.
    Aber Cristofero reagierte nicht darauf. Er hatte erkannt, daß Vargaz im Moment nicht mehr Herr seiner Sinne war. Er fieberte.
    Der Anfall würde bald wieder vergehen. Er war jedoch ein deutliches Anzeichen, daß der Wundbrand schon viel weiter fortgeschritten war, als Vargaz es sich selbst eingestehen wollte.
    »Ich stehe in Eurer Schuld, Capitano«, sagte Cristofero versöhnlich. »Wahrscheinlich habt Ihr unser beider Leben gerettet.«
    Etwas überrascht sah Vargaz ihn an, konnte nicht so recht glauben, welch moderate Töne er da von dem sonst so großmäuligen, überheblichen Grande vernahm.
    Im ersten Moment fühlte er sich auf den Arm genommen.
    Aber dann nickte er.
    »Ihr dürft Euch bei nächster Gelegenheit revanchieren.«
    Am ehesten könnte ich das, dachte Don Cristofero, indem ich dir das Bein abhacke, den Stumpf mit heißem Öl oder - da das hier kaum greifbar ist - mit Feuer keimfrei mache und sorgfältig verbinde. Dann hast du vielleicht noch eine Chance.
    Aber wahrscheinlich ist es inzwischen

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